Leitsatz (amtlich)

1. Ist der prozessunfähige Auskunftsschuldner nicht in der Lage, die titulierte Auskunft selbst zu erteilen, können gegen sein Vermögen, gleichwohl Zwangsgelder gem. § 888 ZPO festgesetzt werden, wenn die geschuldete Auskunft durch einen Vertreter erteilt werden kann.

2. Die Festsetzung von (Ersatz-)Zwangshaft scheidet sowohl gegen den prozessunfähigen Auskunftsschuldner als auch seinen nur rechtsgeschäftlich bestellten Bevollmächtigten aus.

3. Für das Vorliegen der allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen genügt es im Falle einer nachträglichen Berichtigung des Urteils, dass das jeweils unberichtigte Urteil und der Berichtigungsschluss dem Vollstreckungsschuldner in beglaubigter Abschrift zugestellt werden. Einer (erneuten) Zustellung des Urteils mit Berichtigungsvermerk bedarf es nicht.

 

Normenkette

ZPO § 888

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 14.06.2019; Aktenzeichen 322 O 302/18)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 23.09.2021; Aktenzeichen I ZB 20/21)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11.11.2020 abgeändert und gegen die Antragsgegnerin zur Erfüllung der Verpflichtung aus Ziff. 1 S. 1 - 4 des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 14.6.2019, Az. 322 O 302/18, ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 EUR festgesetzt. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin wurde mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14.6.2019 Ziff. 1 S- 1 - 4 des Tenors verpflichtet, an die Antragsteller Auskunft über den Bestand des Nachlasses ihres verstorbenen Ehemannes, von diesem getätigte lebzeitige Zuwendungen und den ehelichen Güterstand ihres Ehemannes zu erteilten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tenor der Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Das hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil wurde der Antragsgegnerin am 18.6.2019 zugestellt. Mit Beschluss vom 24.7.2019 hat das Landgericht das Urteil im Tenor zur Auskunftserteilung dahingehend nach § 319 BGB berichtigt, dass es anstatt "2214 BGB" im Tenor nunmehr "2314 BGB" lautet. Der Berichtigungsbeschluss wurde der Antragsgegnerin am 26.7.2019 zugestellt. Sowohl Urteil als auch Beschluss sind jeweils in beglaubigter Abschrift zugestellt worden. Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Berufungseinlegung zugleich beantragt, die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts anzuordnen. Diesen Antrag der Antragsgegnerin hat der Senat im Hinblick auf die hier gegenständliche Auskunftsverpflichtung mit Beschluss vom 7.11.2019 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Gehörsrüge blieb erfolglos. Mit Urteil vom 20.12.2019 hat der Senat die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung zurückgewiesen. Die Entscheidung ist der Antragsgegnerin am 20.12.2019 zugestellt worden und ist mittlerweile rechtskräftig.

Die Antragsgegnerin ist an Demenz erkrankt und daher geschäfts- und prozessunfähig. Sie ist selbst nicht in der Lage, die geschuldete Auskunft zu erteilen. Sie hat ihrer Tochter, Frau E... M... G... und Herrn Dr. R... K... 2010 eine Generalvollmacht erteilt, die sie zur gemeinsamen Vertretung berechtigen (Anlage B 1).

Mit beim Landgericht Hamburg am 29.8.2019 eingegangenem Antrag beantragten die Antragsteller ursprünglich, gegen die Antragsgegnerin zur Erzwingung der in Ziff. 1 des landgerichtlichen Urteils geregelten Auskunftsverpflichtung ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft festzusetzen. Nachdem der Senat das Urteil im Hinblick auf die in Ziff. 1 ursprünglich ebenfalls noch enthaltene Verpflichtung zur Belegvorlage abgeändert hat, haben die Antragsteller ihren Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln mit Schriftsatz vom 18.2.2020 auf die Verpflichtung zur Auskunftserteilung beschränkt.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Der Antrag sei schon unzulässig, weil als Antragstellerin die Erbengemeinschaft als solche auftrete. Diese sei aber weder rechts- noch parteifähig. Zudem lägen auch in der Sache schon die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen nicht vor. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Zustellung des Titels nach § 750 ZPO. Da das Urteil des Landgerichts durch nachfolgenden Beschluss berichtigt worden sei, habe eine Ausfertigung des Urteils mit einem vom Urkundsbeamten unterschriebenen Vermerks über die spätere Berichtigung zugestellt werden müssen. Auch sei die Sicherheitsleistung nicht ordnungsgemäß erbracht worden. Auch an den besonderen Voraussetzungen für eine Zwangsmittelfestsetzung nach § 888 ZPO würde es fehlen. Da die Antragsgegnerin demenzbedingt nicht in der Lage sei, die Auskünfte zu erteilen, sei sie durch die zu vollstreckende Entscheidung zu einer unmöglichen Leistung verurteilt worden. Dies hindere aber die Festsetzung ...

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