Orientierungssatz

Orientierungssätze:

1. Ein gerichtlicher Hinweis ist gemäß § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO erforderlich, wenn sich das Gericht unzweideutig und hinsichtlich der in Betracht gezogenen Möglichkeiten - anders als bei dem regelmäßig erweiternden Hinweis i.S.d. § 265 Abs. 1 StPO - einengend auf eine vorläufige Bewertung der Sach- oder Rechtslage festgelegt und dadurch einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.

2. Die Mitteilung einer vorläufigen Bewertung der Sachlage ist auch dann geeignet einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, wenn die Gerichtsbesetzung hinsichtlich der Schöffen wechselt.

 

Normenkette

StPO § 265 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 27.09.2019)

LG Hamburg (Entscheidung vom 24.05.2019; Aktenzeichen 703 Ns 71/17)

AG Hamburg-St. Georg (Entscheidung vom 02.05.2017; Aktenzeichen 948 Ds 9/17)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts, Kleine Strafkammer 18, vom 27. September 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten am 2. Juli 2018 wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Auf die dagegen geführten Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten hat das Landgericht Hamburg das Urteil unter Verwerfung der Berufungen im Übrigen dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen unter Einbeziehung der im Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 2. Mai 2017 (Az.: 948 Ds 9/17) in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24. Mai 2019 (Az.: 703 Ns 71/17) verhängten Einzelstrafen und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wird. Hiergegen richtet sich die auf mehrere Verfahrensrügen sowie auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

II.

Die statthafte und zulässige Revision des Angeklagten (§§ 333, 341, 344, 345 StPO) ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet (§ 349 Abs. 2 StPO). Sie hat aber hinsichtlich des Ausspruchs über die Rechtsfolgen mit der erhobenen Verfahrensrüge des § 265 Abs. 2 StPO Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

1. Der Schuldspruch hält aus den in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend dargelegten Gründen revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Bei dem Straftatbestand der Steuerhinterziehung bleibt der Schuldspruch grundsätzlich unberührt, wenn lediglich der Verkürzungsumfang unrichtig bestimmt ist, die Verwirklichung des Tatbestandes aber sicher von den Feststellungen getragen wird (BGH, Urt. v. 13. September 2018 - 1 StR 642/17, BGHSt 63, 203 ff., Rn. 10 m.w.N.). Ausgehend von den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen ist für die einzelnen Taten - selbst unter Verrechnung der geltend gemachten und bislang nicht berücksichtigten Vorsteuer auf Tatbestandsebene - jeweils auszuschließen, dass es in den Monaten November 2015 bis April 2016 nicht jeweils zu einer Steuerverkürzung gekommen ist. Der Rechtsmangel hinsichtlich des Umfangs der verkürzten Steuern (s. sogleich II. 3.) hat lediglich Bedeutung für den Rechtsfolgenausspruch und lässt den Schuldspruch der Steuerhinterziehung in sechs Fällen unberührt (vgl. BGH, Beschl. v. 21. Mai 2019 - 1 StR 159/19, juris Rn. 13; Beschl. v. 24. Juli 2019 - 1 StR 59/19, juris Rn. 6 f.; Urt. v. 13. September 2018, a.a.O.).

2. Den Verfahrensrügen des § 261 StPO und § 244 Abs. 2 StPO bleibt der Erfolg versagt.

a) Die nach § 261 StPO erhobene Inbegriffsrüge, dass sich nicht mehr zuverlässig feststellen lasse, dass die handschriftlichen Listen, auf die in der Beweiswürdigung Bezug genommen wird, in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien, ist unzulässig erhoben. Voraussetzung der Inbegriffsrüge ist, dass ein Beweismittel nicht oder in nicht zulässiger Form in der Hauptverhandlung verwendet worden ist (Miebach in MüKo-StPO § 261 Rn. 406). An der bestimmten Behauptung, die handschriftlichen Listen seien nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden, fehlt es indes. Die Revision trägt nur vor, es lasse sich "nicht mehr zuverlässig feststellen ..., dass die handschriftlichen Listen ... in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind." Dies zielt auf die Frage, "ob" die Listen eingeführt worden sind und genügt damit nicht den Anforderungen an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261, Rn. 185).

b) Die Rüge, die Strafkammer habe ihre Aufklärungspflicht verletzt, indem sie auf die Vernehmung des Zeugen Yilmaz in der Berufungshauptverhandlung verzichtet habe (§ 244 Abs. 2 StPO), ist ebenfalls unzulässig. Es kann insoweit offenbleiben, ob die Revisionsbegründung bei ...

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