Leitsatz (amtlich)
1.
Die Verteidigervollmacht erlischt mit dem Tod des Angeklagten.
2.
Stirbt der Angeklagte vor rechtskräftigem Verfahrensabschluss, so fehlt mangels fortwirkender voll macht des ehemaligen Verteidigers die Beschwerdebefugnis bezüglich noch ergangener Auslagenentscheidungen.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 23.07.2003) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des ehemaligen Verteidigers Rechtsanwalt gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 18, vom 23. Juli 2003 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe
I.
Die Große Strafkammer hat den vormaligen Angeklagten F. mit Urteil vom 17. Juli 2003 wegen Untreue unter Einbeziehung der mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 1. Juli 2002 verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer war Wahlverteidiger des Angeklagten. Am 21. Juli 2003 ist der Angeklagte verstorben. Mit Beschluss vom 23. Juli 2003 hat die Strafkammer wegen Versterbens des Angeklagten das Verfahren gemäß § 206 a Abs. 1 StPO eingestellt und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt; von der Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse hat die Große Strafkammer unter Bezugnahme auf § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO abgesehen.
Gegen diesen am 25. Juli 2003 zugestellten Beschluss wendet sich der ehemalige Verteidiger mit der am 31. Juli 2003 eingegangenen sofortigen Beschwerde, soweit davon abgesehen worden ist, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
II.
Die sofortige Beschwerde (§§ 464 Abs. 3 S. 1, 206 a Abs. 2 StPO) ist unzulässig, weil bereits die Beschwerdebefugnis fehlt.
Die sofortige Beschwerde ist, wie auch die dort angeführten Belegstellen (OLG Frankfurt/Main, NStZ-RR 2002, 246 f; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., gemeint: Vor § 137, Rdn. 7) ausweisen, weiterhin namens des Verstorbenen selbst auf der Grundlage einer angenommenen Fortwirkung der zu Lebzeiten erteilten Prozessvollmacht eingelegt worden.
Durch die Ablehnung der Auslagenerstattung nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO beschwert und damit beschwerdebefugt könnte aber allenfalls der Angeklagte selbst sein. Die in § 467 Abs. 2, Abs. 3 StPO getroffenen Regelungen knüpfen nämlich ausdrücklich an die prozessrechtliche Stellung als Angeschuldigter (bzw. als Angeklagter) an. Diese prozessrechtliche Stellung des früheren Angeklagten ist jedoch mit dessen Tod entfallen. Im Namen des früheren Angeklagten können nach dessen Tod Prozesshandlungen nicht mehr vorgenommen werden; insbesondere können in seinem Namen auch Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden, weil der Angeklagte als Prozesssubjekt und Träger der den Prozesshandlungen zu Grunde liegenden Rechte nicht mehr existiert. Mit dem Versterben des Angeklagten hat mithin auch die von ihm zu Lebzeiten erteilte Prozessvollmacht geendet und damit der für ihn bis dahin als Verteidiger handelnde Rechtsanwalt die Befugnis verloren, für seinen früheren Mandanten Prozesshandlungen vorzunehmen (OLG München, NJW 2003, 1133; ähnlich BayObLG, JR 1962, 226; KG, JR 1968, 432 f; OLG Celle, NJW 1971, 2182; OLG München, NJW 1973, 1515 f; OLG München, NJW 1976, 1548; OLG Schleswig, NJW 1978, 1016; OLG Koblenz, GA 1979, 192 f; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 546; Lüderssen in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 138 Rdn. 18; Hiebl in KMR-StPO, Stand August 2000, Vor § 137 Rdn. 102: "Da es in dieser Situation nichts mehr zu verteidigen gibt, endet automatisch auch das Verteidigerverhältnis").
Der Gegenmeinung, wonach die zu Lebzeiten erteilte Verteidigervollmacht über den Tod des Angeklagten hinaus fortwirke und den Verteidiger jedenfalls zur Stellung von Kosten- und Auslagenerstattungsanträgen sowie zur Einlegung von Beschwerden gegen ablehnende Entscheidungen hierzu ermächtige (HansOLG Hamburg, NJW 1971, 2183 f; HansOLG Hamburg, NJW 1983, 464 f; OLG Hamm, NJW 1978, 177; OLG Frankfurt/Main, NStZ-RR 2002, 246; OLG Celle, NJW 2002, 3720 f; Laufhütte in Karlsruher Kommentar-StPO, 5. Aufl., § 138 Rdn. 14; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Vor § 137 Rdn. 7; Kühl, NJW 1978, 977, 980 f; wohl auch Julius in Heidelberger Kommentar-StPO, 3. Aufl., § 137 Rdn. 8) kann nicht gefolgt werden.
Diese Auffassung stellt darauf ab, nach § 168 BGB bestimme sich das Erlöschen der Vollmacht nach dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis, im Falle der strafverfahrensrechtlichen Prozessvollmacht also nach dem zwischen Verteidiger und Mandant bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), auf den u.a. auch § 672 BGB anzuwenden sei: Nach dieser Vorschrift erlösche der Auftrag im Zweifel nicht durch den Tod des Auftraggebers. Weil nach dem Tod des Angeklagten vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gegebenenfalls noch die Tragung der notwendigen Auslagen zu regeln sei, erscheine es angebracht, entsprechend § 672 BGB jedenfalls im Zusammenhang mit Anträgen auf Erstattung notwendiger Auslagen den Fortbestand des Auftragsverhältnisses über den Tod des Auftraggebers ...