Leitsatz (amtlich)

1. Verletzt im Sinne der §§ 111b, 111g StPO sind alle durch die prozessuale Tat geschädigten Personen.

2. Bei serieller Tatbegehung kann jedenfalls das sog. uneigentliche Organisationsdelikt eine prozessuale Tat darstellen.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 03.01.2011; Aktenzeichen 620 KLs 6/10)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Verletzten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 20, vom 3. Januar 2011 dahin geändert, dass die Zwangsvollstreckung der Verletzten auf Grund des Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Schleswig, Mahnabteilung, vom 23. September 2010 (Gesch.-Nr.: 10-9806358-0-4) auch wegen einer Bereicherungs- und Schadensersatzforderung der Verletzten in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 40.384,07 Euro ab dem 13. November 2008 sowie Kosten von 309,80 Euro in die angeblichen Forderungen

1. der Antragsgegnerin zu 2) auf Herausgabe der bei der Antragsgegnerin zu 2) in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg 5650 Js 31/09 beschlagnahmten, sichergestellten und abgeschöpften 14.790,00 Euro und der Abtretungsurkunde, welche die Rechte hinsichtlich 50 Aktien im Nennwert von je 1.000 CHF der F. AG, Sitz c/o verbrieft,

2. der beiden Antragsgegner auf Herausgabe der im nämlichen Ermittlungsverfahren bei ihnen beschlagnahmten, sichergestellten und abgeschöpften 334.000,00 Euro gegen die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Justizbehörde, Amt für Allgemeine Verwaltung, Drehbahn 36, 20354 Hamburg,

sowie

3. die angeblichen Forderungen der Antragsgegner auf Auszahlung der Guthaben der bei ihnen sichergestellten bzw. "rückgewonnenen" Beträge gegenüber der Justizbehörde, Amt für Allgemeine Verwaltung, Justizkasse, Dammtorwall 13, 20354 Hamburg

zugelassen wird.

II. Die Zwangsvollstreckung wegen einer Bereicherungs- und Schadensersatzforderung der Verletzten in Höhe von Euro 40.384,07 aus dem zu I. genannten Vollstreckungsbescheid in die zu I. bezeichneten angeblichen Forderungen der Antragsgegner ist zugelassen.

III. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Verletzten.

 

Gründe

I. Den Antragsgegnern (Beschwerdegegnern) wird zur Last gelegt ein gemeinschaftlich begangener Anlagebetrug, durch welchen sie die auf eine gewinnbringende Kapitalanlage vertrauende verletzte Antragstellerin veranlassten, in mehreren Akten insgesamt 59.000,-- Euro auf von den Antragsgegnern vorgegebene Konten eines Betrugsunternehmens F. einzuzahlen, welche die Antragsgegner - mit Ausnahme erfolgter Rückzahlungen von 15.856,58 Euro - in Höhe von (hier nur geltend gemachter) 40.384,07 Euro plangemäß für eigene Zwecke verbrauchten. Am 31. August 2010 erwirkte die Antragstellerin bei dem Amtsgericht Schleswig Mahn- und am 23. September 2010 Vollstreckungsbescheid gegen die Antragsgegnerin zu 2). Mahn- und Vollstreckungsbescheid gingen von einer Hauptforderung in Höhe von 40.384,07 Euro, Kosten in Höhe von 309,80 Euro und Zinsen auf 40.384,07 Euro aus. Die Antragstellerin betreibt die Vollstreckung.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer dem Antrag der Antragstellerin auf Zulassung der Zwangsvollstreckung "in die bei der Staatsanwaltschaft Hamburg zu 5650 Js 31/09 verwahrten Vermögenswerte in der Strafsache Z. u.a. bis zu einer Höhe von 40.384,07 Euro" stattgegeben, den weitergehenden auch die in dem Vollstreckungsbescheid weiter aufgeführten Zinsen und Kosten umfassenden Antrag aber abgelehnt. Hiergegen richtet sich die am 10. Januar 2011 eingegangene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

II. Die nach den §§ 111 g Abs. 2 S. 2, 296, 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Das Rechtsmittel ist, soweit über den angefochtenen Beschluss hinaus Zinsen und Kosten in Rede stehen, begründet.

1. Die Beschlagnahme eines Gegenstandes nach § 111 c StPO und die Vollziehung des Arrestes nach § 111 d StPO wirken nicht gegen eine Verfügung des Verletzten, die auf Grund eines aus der Straftat erwachsenen Anspruches im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt; die Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung von Seiten des Verletzten bedarf dazu der gerichtlichen Zulassung, die (nur) zu versagen ist, wenn der Verletzte nicht glaubhaft macht, dass der Anspruch aus der Straftat erwachsen ist (§ 111g Abs. 1, Abs. 2 S. 1 bis 3 StPO; vgl. ferner allgemein zur Sicherstellung im Gegensatz zur freiwilligen Bereitstellung OLG Oldenburg, NStZ-RR 2008, 116; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 111g Rdn. 1 m.w.N.).

Hintergrund der Regelung ist, dass durch die vorläufigen Maßnahmen nach §§ 111 c, d StPO die Durchsetzung von Ansprüchen des Verletzten nicht gefährdet werden soll; in Gemäßheit des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB soll der sichergestellte Gegenstand vorrangig zur Befriedigung des durch die Straftat Verletzten wegen seiner aus der Tat erwachsenen Ansprüche zur Verfügung stehen. Die Bestimmung des § 111 g Abs. 2 S. 1 StPO will daher nur die Feststellung des jew...

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