Leitsatz (amtlich)
Für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand eines nebenklageberechtigten Verletzten (§ 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO) reicht der bloße Anfangsverdacht der Begehung eines qualifizierten Nebenklagedelikts nicht aus. Erforderlich ist ein dynamisch am jeweiligen Verfahrensstand orientierter "ermittlungsfähiger" Tatverdacht, der die Weiterführung des vorbereitenden Verfahrens gestattet und aufgrund dessen - sei es auch erst nach Durchführung ergänzender Ermittlungen - jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass der für eine spätere Anklageerhebung notwendige hinreichende Tatverdacht noch begründet werden kann.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 05.01.2005) |
Tenor
Die Beschwerde der Anzeigenden gegen den Beschluß des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 31, vom 5. Januar 2005 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin, die aufgrund jedenfalls einer Körperbehinderung auf die Hilfe eines Pflegedienstes angewiesen ist, zeigte am 4. Juli 2004 gegenüber der Polizei an, am 1. Juli 2004 von einem gegen 1900 Uhr eingetroffenen "K." in ihrer Wohnung während gemeinsamen Kaffeetrinkens ins Gesicht geschlagen und anschließend vergewaltigt worden zu sein. Im Gesicht habe sie aufgrund des Schlages Schwellungen und einen Bluterguß davongetragen. Diese Beschuldigungen wiederholte sie bei ihrer kriminalpolizeilichen Vernehmung am 16. Juli 2004. Den Zeitpunkt des Eintreffens von "K." bezeichnete sie dabei mit 1400/1430 Uhr. Ihrer nachfolgend gegen 1615 Uhr eingetroffenen Pflegerin S. habe sie von dem angezeigten Geschehen berichtet. Alkoholische Getränke seien während des Besuches von "K." nicht konsumiert worden. Im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens räumte die Beschwerdeführerin in einem Telefonat mit der Kriminalpolizei ein, mit "K." Bier getrunken zu haben; insoweit habe sie bei ihrer Vernehmung gelogen.
Der Beschuldigte schilderte zwar einen abendlichen und nächtlichen Besuch bei der Beschwerdeführerin, in dessen Verlauf erhebliche Mengen von Bier gemeinsam konsumiert worden seien und es auch zu einem "Zungenkuß" gekommen sei, bestritt aber die Begehung der ihm zur Last gelegten Tat. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren mit Bescheid vom 22. November 2004 ein, weil - insbesondere mangels gynäkologischer Untersuchung der Beschwerdeführerin - auch angesichts der Aussagen der beiden vernommenen Pflegekräfte objektive Anhaltspunkte nicht vorlägen, welche geeignet seien, die Beschuldigungen zu stützen. Über die hiergegen am 30. November 2004 eingelegte Beschwerde ist noch nicht entschieden.
Zuvor hatte die Beschwerdeführerin unter dem 22. Oktober 2004 mit an die Staatsanwaltschaft gerichtetem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten einen an das Landgericht Hamburg adressierten Antrag auf deren Bestellung als Beistand nach § 406g i.V.m. §§ 395, 397a Abs. 1 StPO eingereicht und die Staatsanwaltschaft ersucht, diesen an das durch die Behörde als zuständig erachtete Gericht weiterzuleiten. Diesen ihm durch die Staatsanwaltschaft vorgelegten Antrag hat das Landgericht Hamburg mit Beschluß vom 5. Januar 2005 zurückgewiesen, weil die Verurteilung des Beschuldigten wegen eines Nebenklagedeliktes rechtlich nicht als möglich erscheine. Hiergegen richtet sich die "sofortige Beschwerde" der Anzeigenden vom 24. Januar 2005, mit der sie ihren Antrag - insbesondere unter Hinweis darauf, daß für die Beistandsbestellung das Bestehen eines Anfangsverdachts der Begehung eines Nebenklagedeliktes ausreiche - weiterverfolgt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter Hinweis u.a. auf die Verfahrenseinstellung auf Verwerfung der Beschwerde als unbegründet angetragen.
II.
Das nach § 304 Abs. 2 StPO als Beschwerde statthafte Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das auch durch die Staatsanwaltschaft befaßte nach §§ 406g Abs. 3 Satz 2 StPO, 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG zuständige Landgericht den Antrag der Anzeigenden, ihr gemäß §§ 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 2, 397a Abs. 1 Satz 1 StPO für das vorbereitende Verfahren einen Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen führt zu keinem abweichenden Ergebnis.
1.
Nach § 406g Abs. 1 StPO kann, wer "nach § 395 zum Anschluss als Nebenkläger befugt ist" (Satz 1 Halbsatz 1), "sich auch vor der Erhebung der öffentlichen Klage des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen, auch wenn ein Anschluss als Nebenkläger nicht erklärt wird" (Satz 2). § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO bestimmt - für den in § 406g Abs. 1 StPO bezeichneten Personenkreis (vgl. Hilger in LR-StPO, 25. Aufl., § 406g Rdn. 2; Kurth in HK-StPO, 3. Aufl., § 406g Rdn. 10) - darüber hinaus:
"§ 397a gilt entsprechend für ... die Bestellung eines Rechtsanwalts."
Die hier in Rede stehende Vorschrift des § 397a Abs. 1 Satz 1 StPO lautet:
"Auf Antrag des Nebenklägers ist diesem ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn die Berechtigu...