Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgfaltspflicht bei "Aussteigen" aus Fahrzeug

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 21.01.2004; Aktenzeichen 331 O 130/03)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 31, vom 21.1.2004 - Gesch.-Nr. 331 O 130/03 - durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger kann hierzu innerhalb von 2 Wochen Stellung nehmen.

 

Gründe

Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Der Senat ist davon überzeugt, dass

1. die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat,

2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und

3. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert.

Ziffern 2. und 3. bedürfen keiner näheren Begründung.

Zu Ziff. 1.:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt der überzeugenden und zutreffenden Bewertung durch das LG. Die Ausführungen der Berufung vermögen demgegenüber keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen:

Der streitgegenständliche Unfall hat sich im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem "Aussteigen" des Zeugen R. i.S.d. § 14 Abs. 1 StVO ereignet.

Der unter die gesteigerte Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO fallende Vorgang des "Aussteigens" erstreckt sich bis zum endgültigen Verlassen des Fahrzeugs (OLG Hamburg v. 30.1.2002 - 14 U 85/01, OLGReport Hamburg 2002, 472). Dem Gebot des Ausschlusses der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer unterfällt es danach auch, dass sofort nach dem Aussteigen die Tür wieder geschlossen wird (ebenso Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 14 StVO Rz. 6). Auch Janiczewski/Jagow/Burmann (Janiczewski/Jagow/Burmann, StVO, 16. Aufl., § 14 Rz. 4; BayObLG v. 30.6.1989 - RReg.2 St 77/89, DAR 1990, 31) machen deutlich, dass der Pflichtenkreis des § 14 Abs. 1 StVO nicht endet, sobald man ausgestiegen ist. Das BayObLG hat (BayObLG v. 30.6.1989 - RReg.2 St 77/89, DAR 1990, 31) entschieden, dass der Ausgestiegene, der sich bei offen stehender Tür noch einmal in das Fahrzeug beugen will, zunächst die Tür wieder schließen muss, wenn Verkehr herannaht, um dem Höchstmaß an Sorgfalt zu genügen, das § 14 Abs. 1 StVO auferlegt. Dasselbe muss für den Fall gelten, dass der Ausgestiegene, wie vorliegend, erst noch einmal die hintere Tür öffnet, um dort etwas herauszunehmen.

Hiervon ausgehend hat das LG darin Recht, dass gegen den Kläger der Beweis des ersten Anscheins für eine unfallursächliche fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung spricht (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 14 StVO Rz. 9, m.w.N. aus der Rspr.). Dies ist der entscheidende Punkt, den die Berufung verkennt. Diesen Anscheinsbeweis hätte der Kläger, wie das LG zu Recht ausgeführt hat, erschüttern müssen. Das ist ihm nach der vom LG durchgeführten Beweisaufnahme nicht gelungen. Die Zeugen haben nicht bestätigen können, dass die Tür des klägerischen Fahrzeugs schon längere Zeit offen gestanden hatte, als sich der Zeuge R. mit seinem Lkw näherte (was ggf. nach dem Vorgesagten übrigens das Verschulden des Klägers auch nicht hätte ausschließen, sondern allenfalls ein Mitverschulden des Zeugen R. begründen können).

Die Berufung auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf MDR 1961, 322 f.) hilft dem Kläger nicht weiter. Wenn das OLG Düsseldorf dort kein Verschulden des die Tür geöffnet Habenden hat feststellen können, so liegt das offensichtlich daran, dass dort die Vorschrift des § 14 Abs. 1 StVO schlicht übersehen worden ist. Das Gleiche gilt übrigens für die Entscheidung des Kammergerichts (KG DAR 1973, 156; OLG Hamburg v. 30.1.2002 - 14 U 85/01, OLGReport Hamburg 2002, 472).

Ein etwaiges Mitverschulden des Zeugen R. in der Form, dass er keinen genügenden Sicherheitsabstand nach rechts eingehalten habe, hat die Beweisaufnahme ebenfalls nicht ergeben. Im Gegenteil hat der vom Kläger benannte Zeuge S. bekundet, dass der Lkw der Beklagten mit den linken Rädern genau auf der mittigen Fahrbahnbegrenzung gefahren sei. Weiter nach links hätte er also in Anbetracht des unstreitig herrschenden Gegenverkehrs gar nicht fahren können und dürfen.

Unter diesen Umständen bleibt es dabei, dass gegen den Kläger der nicht erschütterte Beweis des ersten Anscheins spricht und hinter dem Verschulden des Klägers die bloße Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zurücktritt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1305095

OLGR-BHS 2005, 84

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