Leitsatz (amtlich)
1. In Kindschaftssachen ist in der Regel eine persönliche anwaltliche Beratung des Elternteils erforderlich.
2. Daher kommt es für die Beiordnung eines außerhalb des Gerichtsbezirks niedergelassenen Anwalts im Rahmen der VKH-Bewilligung darauf an, ob dem Bedürftigen zumutbar ist, sich zur Wahrnehmung persönlicher Beratungsgespräche zu einem im Gerichtsbezirk niedergelassenen Verfahrensbevollmächtigten zu begeben.
3. Maßgeblich hierfür ist, ob ein bemittelter Beteiligter in der Situation des Bedürftigen einen Anwalt unter Inkaufnahme der damit einhergehenden Mehrkosten an seinem Wohnort beauftragt hätte, um den Zeit- und Fahraufwand zur Wahrnehmung von Terminen bei einem Anwalt im Gerichtsbezirk zu vermeiden.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 3-4
Verfahrensgang
AG Hamburg (Beschluss vom 21.03.2020; Aktenzeichen 988 F 25/20) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss Amtsgerichts Hamburg vom 21.3.2020 dahingehend abgeändert, dass die Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt W... Rechtsanwalt mit der Maßgabe erfolgt, dass Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass die Kanzlei des beigeordneten Rechtsanwalts ihren Sitz nicht am Ort des Verfahrensgerichts hat, nur bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts erstattungsfähig sind (§§ 76, 78 Abs. 2 FamFG). Im übrigen wir die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
I. Die in Geesthacht wohnende Antragsgegnerin beantragt die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers, der mit seiner Kanzlei ebenfalls in Geesthacht niedergelassen ist. Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag des Vaters der gemeinsamen Tochter auf Übertragung des Sorgerechts auf sich, weil die Mutter das Wohl des Kindes gefährde und eine Kommunikation mit ihm verweigere. Etwa ein Jahr zuvor hatten sich die Eltern in einem vorangegangenen familiengerichtlichen Verfahren noch auf die Durchführung des Wechselmodells geeinigt.
Das Familiengericht hat der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt. Es hat die Beiordnung jedoch auf die Bedingungen eines im Gerichtsbezirk zugelassenen Anwalts beschränkt. Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 17.4.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner am selben Tage beim Familiengericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der er sich gegen seine nur eingeschränkte Beiordnung wendet.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde erweist sich als teilweise begründet. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin ist befugt, aus eigenem Recht gegen die vom Familiengericht vorgenommene kostenmäßige Beschränkung seiner Beiordnung im Wege der sofortigen Beschwerde vorzugehen (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 1/06 -, NJW 2006, 3783 Rn. 7).
Die Beschwerde ist auch teilweise begründet, weil die vom Familiengericht angeordnete Beschränkung der Beiordnung nach Maßgaben der Bedingungen eines im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Anwalts nicht vorzunehmen ist. Vielmehr ist eine Beschränkung nur bezogen auf die Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts vorzunehmen.
Gem. § 78 Abs. 3 FamFG kann ein nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur dann beigeordnet werden, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen. Beantragt ein nicht im Gerichtsbezirk zugelassener Anwalt seine Beiordnung, liegt hierin ein konkludentes Einverständnis mit einer Beiordnung zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirks niedergelassenen Anwalts, sofern nicht die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise gleichwohl zulässige einschränkungslose Beiordnung vorliegen (BGH Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 1/06 -, NJW 2006, 3783). Eine solche einschränkungslose Beiordnung kommt in Betracht, wenn nach § 78 Abs. 4 FamFG dem Beteiligten ein weiterer zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen wäre. Dann kann dem VKH-Antragsteller an Stelle der Beiordnung eines solchen weiteren Anwalts auch ein Verfahrensbevollmächtigter außerhalb des Gerichtsbezirks beigeordnet werden, soweit hierdurch keine höheren Kosten als bei Beauftragung eines weiteren Anwalts entstehen (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 1/06 -, NJW 2006, 3783).
Besondere Umstände für die Beiordnung eines - hier allein in Betracht kommenden - Verkehrsanwalts im Sinne von § 78 Abs. 4 FamFG können vorliegen, wenn der Verfahrensgegenstand sehr persönliche, sensible und sich nach allgemeiner Lebenserfahrung erst in einem persönlichen Gespräch hinreichend auffächernde Hintergründe betrifft, wie es oftmals in Kindschaftssachen der Fall ist (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.1.2017 - 13 WF 12/17, BeckRS 2017, 100806; MüKo-FamFG/Viefhus, § 78 FamFG Rn. 40). Dabei kann generell davon ausgegangen werden, dass in einer Umgangssache eine persönliche anwaltliche Beratu...