Entscheidungsstichwort (Thema)
Art und Ausgestaltung der Unterbringung von Sicherungsverwahrten
Leitsatz (amtlich)
1. § 95 HmbStVollzG gewährt der Justizvollzugsanstalt bei der Bestimmung der Größe und Ausstattung des Verwahrraumes eines Sicherungsverwahrten einen Ermessensspielraum.
2. Das von dem Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326 = NJW 2011, 1931 ff) eingeforderte Abstandsgebot für Sicherungsverwahrte ist nicht isoliert auf die Größe und Ausstattung des Haftraums zu reduzieren. Hauptaufgabe des vom Bundesverfassungsgericht geforderten freiheitsorientierten und therapiegestützten Gesamtkonzepts ist es, mit einem umfangreichen Therapie- und Hilfsangebot sowie der frühzeitigen Gewährung von Vollzugslockerungen die Dauer der Sicherungsverwahrung auf das Unerlässliche zu reduzieren. Die Ausstattung und Größe der Verwahrräume stehen dabei nicht im Mittelpunkt.
3. Der Senat teilt nicht die vom OLG Naumburg mit Beschluss vom 30. November 2011 (1 Ws 64/11 - zitiert nach "juris") in einem obiter dictum geäußerte Auffassung, dass Sicherungsverwahrte Anspruch auf einen Verwahrraum von mindestens 20 qm Größe zuzüglich einer eigenen Nasszelle mit Dusche und einer eigenen Kochgelegenheit mit Kühlschrank haben.
4. Die Zuweisung eines 17,5 qm großen Verwahrraums für Sicherungsverwahrte, ausgestattet mit einer abgetrennten Toilette und einem Waschbecken, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
5. Es ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Verwahrräume der Sicherungsverwahrten nicht mit eigenen Kochgelegenheiten ausgestattet werden, weil die gemeinsame Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten das Erlernen und Verstärken sozialer Kompetenzen in der Wohngruppe fördert, der Einbau von Kochgelegenheiten in den einzelnen Zellen hingegen der Rückzugs- und Vereinzelungstendenz Vorschub leistet.
6. Soweit die Justizvollzugsanstalt es ablehnt, die Verwahrräume mit eigenen Duschen auszustatten, hat sie sicherzustellen, dass dem Sicherungsverwahrten die Möglichkeit eingeräumt werden muss, allein ungestört und ohne Angst vor Übergriffen Anderer duschen zu können.
Normenkette
HmbStVollzG § 95
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 08.11.2012) |
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers werden der Beschluss des Landgerichts Hamburg - Große Strafkammer 5 als Strafvollstreckungskammer - vom 8. November 2012 und der Widerspruchsbescheid der Justizvollzugsanstalt F. vom 16. Mai 2012 aufgehoben, soweit der Antrag des Beschwerdeführers abgelehnt worden ist, ihn in einer Verwahrzelle mit Dusche unterzubringen. Die Justizvollzugsanstalt F. wird insoweit verpflichtet, den Beschwerdeführer unter Beachtung der Rechtsaufassung des Senats neu zu bescheiden.
2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
3. Von den Kosten des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Hälfte zu tragen. Die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers fallen der Staatskasse zur Hälfte zur Last. Der Gegenstandswert wird auf 1.000,- € festgesetzt.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Februar 2011 in einer Abteilung der Justizvollzugsanstalt F., die für Sicherungsverwahrte besonders hergerichtet worden ist. Sein Verwahrraum besteht aus dem Zusammenbau zweier ehemaliger Haftzellen und hat eine Größe von 17,5 Quadratmeter, inklusive eines abgetrennten Bereichs mit Toilette und Waschbecken. Über eine Dusche und eine Kochmöglichkeit verfügt der Verwahrraum nicht.
Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat der Beschwerdeführer beim Landgericht Hamburg am 30. Mai 2012 beantragt, den Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt F. wegen "Verletzung des Abstandsgebots lt. Art. 2 II Sz. 2 GG" zu verpflichten, für ihn als Sicherungsverwahrten einen Verwahrraum mit mindestens 20 qm Größe plus einer eigenen abgetrennten Nasszelle mit Warmwasserdusche und einer eigenen abgetrennten Küchenzeile mit Kochgelegenheit einzurichten.
Mit Beschluss vom 8. November 2012 hat das Landgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 95 HmbStVollzG keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Ausstattung seines Verwahrraumes habe, sondern lediglich Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Ermessenserwägungen, mit denen die Justizvollzugsanstalt die vom Antragsteller begehrte Ausstattung seines Verwahrraums abgelehnt habe, genügten den Anforderungen, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Abstandsgebots und der Verpflichtung, den Vollzug an die allgemeinen Lebensverhältnisse anzupassen, zu stellen seien. Insbesondere lasse der Bescheid der Antragsgegnerin erkennen, dass sie diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben Rechnung getragen und sich genügend mit den Anforderungen an einen freiheitsorientierten Vollzug der Sicherungsverwahrung auseinandergesetzt habe.
Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 20. November 2012 zugestellten Beschluss richtet sich seine Rechtsbeschwerde vom...