Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 17.01.2022; Aktenzeichen 626a KLs 14/21) |
Tenor
1.) Der Beschluss des Landgerichts Hamburg (626a KLs 14/21) vom 17. Januar 2022 wird aufgehoben.
2.) Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Anstaltsleitung der Untersuchungshaftanstalt Hamburg, den Beschwerdeführer in der Zeit vom 03. Dezember 2021 bis zum 16. Februar 2022 der Maßnahme des Einschlusses bei täglich einer Freistunde und 23-stündiger Einsperrung in seinem Haftraum zu unterwerfen, rechtswidrig war.
3.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg führt gegen den Angeklagten ... ... und weitere Angeklagte das verfahrensgegenständliche Strafverfahren u.a. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie Waffengesetz in insgesamt elf Fällen, von denen neun Gegenstand des verfahrensgegenständlichen Haftbefehls sind.
Der Angeklagte ... befindet sich seit seiner polizeilichen Festnahme am 22. April 2021 aufgrund des unverändert fortbestehenden Haftbefehls des Amtsgerichts Hamburg vom 22. März 2021 - gestützt auf den Haftgrund der Fluchtgefahr wegen der Tatvorwürfe des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen - ununterbrochen in Polizei- und Untersuchungshaft.
Am 19. Juli 2021 erhob die Staatsanwaltschaft Hamburg Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen der haftbefehlsgegenständlichen sowie zweier weiterer Taten zum Landgericht, Große Strafkammer. Mit Beschluss vom 13. September 2021 ließ die Große Strafkammer 26a die Anklage der Staatsanwaltschaft zu, eröffnete das Hauptverfahren und ordnete Haftfortdauer an. Die Hauptverhandlung begann bereits am 24. September 2021.
Während seiner Unterbringung in der Untersuchungshaftanstalt war der Beschwerdeführer auf einer offenen Station untergebracht, auf der er innerhalb der von der Anstalt vorgegebenen Zeiten - 08.30 Uhr bis 12:30 Uhr sowie 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr - am Aufschluss teilnehmen und dadurch insbesondere duschen, telefonieren, die Küche nutzen sowie sich mit Mitgefangenen unterhalten konnte.
Vor dem Hintergrund der Auswirkungen und Gefahren der Covid-19-Pandemie ordnete der Leiter der Untersuchungshaftanstalt am 03. Dezember 2021 aus Gründen des Infektionsschutzes nach Rücksprache mit den in der Ambulanz der Anstalt tätigen Ärzten formlos - mitgeteilt über den hausinternen "Info-Pool" - die Streichung sämtlicher Aufschlusszeiten an.
Im Anschluss hieran wurde der Beschwerdeführer entsprechend dieser Regelung behandelt. Er trägt vor, aufgrund dessen in der Regel 23 Stunden in seinem Haftraum eingeschlossen gewesen zu sein.
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 10. Dezember 2021 beantragte der Angeklagte gerichtliche Entscheidung nach § 119a StPO mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme sowie der Aufhebung der Anordnung seines Einschlusses. Er trug vor, dass die Voraussetzungen für einen solchen weitgehenden Eingriff nicht vorlägen und das HmbUVollzG verfassungskonform auszulegen sei. Der Einschluss sei nicht verhältnismäßig, es sei kein Ermessen ausgeübt worden. Der Antragsteller habe einen Anspruch, möglichst viel Zeit außerhalb des Haftraums zu verbringen und ihm seien soziale Kontakte zu ermöglichen.
Die Anstaltsleitung der Untersuchungshaftanstalt (UHA) trug gegenüber dem Landgericht darauf an, den Antrag als unbegründet zurückzuweisen. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass sich die am 03. Dezember 2021 angeordneten "Leistungseinschränkungen" auf § 42 Abs. 6 HmbUVollzG stützten. Auch unter Einhaltung der Verpflichtung der Anstalt aus § 36 Abs. 1 Nr. 6 IfSG seien die Maßnahmen aufgrund des erhöhten Risikos in der Untersuchungshaftanstalt im Hinblick auf die Verbreitung von Infektionskrankheiten wegen der vorherrschenden räumlichen Nähe und der möglichen Einschleppung von Krankheiten durch Mitarbeitende, Besucher, Gefangene in Lockerung oder Neuzugänge zum Schutz gegen SARS-CoV-2 dringend notwendig. Zweck sei es, die Gesundheit der Gefangenen insgesamt zu schützen und künftige Ansteckungen durch Kontakte auf den offenen Stationen zu unterbinden. Die Vollzugsanstalt habe die Pflicht, die Inhaftierten zu schützen. Darüber hinaus gehe es bei dem angeordneten Einschluss auch darum, die Durchführung geordneter Strafverfahren zu gewährleisten. Quarantäneanordnungen seien zu vermeiden, damit Hauptverhandlungen weiter stattfinden könnten. Der Schutz der Gefangenenrechte sei durch die Anordnung gewahrt. Die gewählte Maßnahme des Einschlusses sei geeignet und erforderlich, den angestrebten Zweck zu erreichen. Es bestehe in der Untersuchungshaftanstalt bereits ein umfangreiches Hygienekonzept einschließlich Maskentragungspflicht (OP- oder FFP2-Masken). Am Arbeitsplatz gelte die 3G-Regel. Mildere Mittel kämen daher nicht mehr in Betracht. Ferner zeige das Infektio...