Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Arzneimittel mit markenrechtlich geschützter Bezeichnung (hier: N.) aus der EU parallelimportiert und im Inland umgepackt durch Markenersetzung unter einer anderen Marke (hier: C.) unautorisiert vertrieben, so ist das Markenrecht verletzt, wenn nach den Grundsätzen zu Art. 28, 30 EG die Markenersetzung nicht erforderlich ist. Die Grundsätze des EuGH zur Erschöpfung sind entspr. anzuwenden. Ob eine künstliche Marktabschottung (Art. 28, 30 EG) vorliegt, ist objektiv zu bestimmen. Eine die Markenersetzung notwendig machende „Zwangslage” des Parallelimporteurs muss für den derzeitigen Vertrieb aktuell (noch) gegeben sein.
2. Eine solche „Zwangslage” ist gegeben, wenn ein Drittzeichen (hier: N.) wegen Verwechslungsgefahr dem Vertrieb unter der ursprünglichen Marke (N.) entgegensteht. Dass der Parallelimporteur stattdessen eine ganz andere Bezeichnung wählen könnte, die weder mit der aus dem Ausfuhrland, noch mit der im Inland übereinstimmt, beseitigt seine „Zwangslage” nicht.
Normenkette
EG Art. 28, 30; MarkenG §§ 14, 24; MarkenRL Art. 7
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 13.03.2003; Aktenzeichen 312 0 372/02) |
Tenor
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Gründe
Nachdem die Parteien im Hinblick auf die in der Berufungsverhandlung abgegebene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung der Antragsgegnerinnen den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist nur noch gem. § 91a ZPO über die Kosten zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens insgesamt der Antragstellerin aufzuerlegen. Der Verfügungsantrag gem. der Beschlussverfügung des LG war auch nach Auffassung des Senats ursprünglich unbegründet (II.).
Ob die Veränderung in der Markenkollisionslage, die die Antragstellerin den Antragsgegnerinnen mit Schreiben vom 8.1.2003 mitgeteilt hat, der Berufung der Antragstellerin zum Erfolg und damit zum Neuerlass der einstweiligen Verfügung geführt hätte, kann offen bleiben. Denn die Antragsgegnerinnen haben in der Berufungsverhandlung die dem Verbotsausspruch der Beschlussverfügung entsprechende Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben (III.-IV.).
I. Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der L-…-Gruppe, sie produziert und vertreibt Arzneimittel. Die Antragsgegnerinnen befassen sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln, die Antragsgegnerin zu 2) ist bei der Antragsgegnerin zu 1) im Mitvertrieb tätig.
Die Antragstellerin vertreibt in Deutschland seit 1991 das Hypertonie-Arzneimittel C. mit dem Wirkstoff Moxonidin (Anlage ASt 7). In Österreich wird unter N. ein wirkstoffgleiches Mittel seit 1992 von der A., Wien, einer Lizenznehmerin der B.- GmbH, vertrieben. Die B.- GmbH ist die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin.
Die Antragstellerin ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „Cynt” Nr. DT 841 602 (Klagemarke), eingetragen am 22.1.1968 für „Arzneimittel” (Anlage ASt 1: dort noch eingetragen für die „B.- GmbH”).
Die Antragsgegnerin zu 1) hatte der L.-Deutschland, unter dem 7.6.2002 angezeigt, dass sie und die Antragsgegnerin zu 2) im Mitvertrieb beabsichtigten, das aus Österreich importierte Arzneimittel N. in Deutschland zu vertreiben, und zwar nach Umkennzeichnen unter der Bezeichnung C. (Anlagen ASt 2–3).
Das LG hatte mit dem Urteil vom 12.8.2002 seine einstweilige Beschlussverfügung vom 11.7.2002, mit der den Antragsgegnerinnen unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Marke C. in der Bundesrepublik Deutschland für ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Moxonidin, das unter der Marke „N.” aus Österreich importiert wurde, zu benutzen, insb. diese Marke auf Verpackungen solcher Arzneimittel anzubringen und so gekennzeichnete Waren anzubieten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen, aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Hiergegen hatte sich die Berufung der Antragstellerin gerichtet, mit der sie ihren erstinstanzlichen Verfügungsantrag gemäß der Beschlussverfügung weiter verfolgt hatte.
In der Berufungsverhandlung kam es – wie zuvor schriftsätzlich angekündigt – zur Abgabe der Unterlassungserklärung der Antragsgegnerinnen und daraufhin zur übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien.
II. Der Unterlassungsverfügungsantrag war auch nach Auffassung des Senats ursprünglich nicht begründet, und zwar jedenfalls bis zur veränderten Markenkollisionslage, die den Antragsgegnerinnen mit Schreiben vom 8.1.2003 mitgeteilt worden ist (s. hierzu und zu der „Vorrechtsvereinbarung” unter III.). Als Anspruchsgrundlage kommen nur die Vorschriften des § 14 Abs. 2–3, Abs. 5 MarkenG in Betracht.
1. Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Umkennzeichnen des aus Österreich parallelimportierten Arzneimittels N. mit dem Wirkstoff Moxonidin unter An bringen der Bezeichnung C. sowie das Anbieten, Bewerben und Inverkehrbringen der so umkonfektionierten Packungen. Auf den Gesichtspunkt des Überkl...