Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Arzneimittel mit markenrechtlich geschützter Bezeichnung (hier: TRILOC aus Österreich) aus der EU parallelimportiert und durch Markenersetzung unter einer verwechslungsfähigen Marke (hier: TRELOC) umgepackt im Inland vertrieben, so ist eine Markenverletzung gegeben, wenn die Markenersetzung nach den Grundsätzen zu Art. 28, 30 EG nicht erforderlich ist. Eine die Markenersetzung notwendig machende, objektive „Zwangslage” des Parallelimporteurs muss für den derzeitigen Vertrieb aktuell (noch) gegeben sein.
2. Eine solche „Zwangslage” besteht vorliegend nicht, weil das entgegengehaltene Drittzeichen mangels Verwechslungsgefahr dem Vertrieb unter der unveränderten Marke nicht entgegensteht. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass in Deutschland nunmehr die Arzneimittelbezeichnungen TRILOC und TRELOC nebeneinander existieren, einer Irreführung (§ 8 AMG) kann durch Hinweise begegnet werden. § 4 Rahmenvertrag (nach § 129 SGB V) ergibt ebenfalls keine Zwangslage.
Normenkette
AMG § 8; EG Art. 28, 30; MarkenG §§ 14, 24; MarkenRL Art. 7; SGB V § 129
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 881/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 26.4.2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 263.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 255.646 Euro (= 500.000 DM) festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin – ein bedeutendes deutsches Pharmaunternehmen – gehört zum A-Konzern, der Arzneimittel herstellt und vertreibt. Die Beklagte befasst sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln.
Die Klägerin vertreibt in Deutschland seit 1982 das Hypertonie-Arzneimittel TRELOC (Anlage K 1). In Österreich wird ein wirkstoffgleiches Mittel von einer Schwestergesellschaft der Klägerin seit 1983 unter der Bezeichnung TRILOC vertrieben (Beiakte OLG Hamburg v. 18.2.1999 – 3 U 187/98, OLGReport Hamburg 1999, 329: Anlage AG EVB 8).
Die Beklagte hat unter dem 11.2.1998 der Klägerin ggü. angezeigt, dass sie beabsichtige, das aus Österreich importierte Arzneimittel TRILOC in Deutschland zu vertreiben, und zwar nach Umkennzeichnen unter der Bezeichnung TRELOC (vgl. auch wegen der Packungsgrößen: Anlage K 4).
Die Klägerin beanstandet das als Markenrechtsverletzung und nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung in Anspruch. Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin der deutschen Wortmarke „TRELOC” Nr. 10 30 395 (Klagemarke), eingetragen am 8.3.1982 für „pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich ein Antihypertonikum” (Anlagen K 2–3: dort noch eingetragen für die „A. GmbH”).
In dem parallelen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums hat das LG mit Urteil vom 15.4.1998 den mit dem vorliegenden Klageantrag übereinstimmenden Verfügungsantrag zurückgewiesen (LG Hamburg v. 15.4.1998 – 315 O 115/98). Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat der Senat mit Urt. v. 18.2.1999 zurückgewiesen (OLG Hamburg v. 18.2.1999 – 3 U 187/98, OLGReport Hamburg 1999, 329 – vgl. diese Beiakte).
In einem anderen Rechtsstreit zwischen denselben Parteien ging es um die Klage, es zu unterlassen, das aus Österreich importierte Arzneimittel „Triloc” den Originalpackungen zu entnehmen und in der Bundesrepublik Deutschland in neu erstellten Verpackungen, die mit der Bezeichnung „Treloc” versehen sind, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen, in die die aus den Originalpackungen entnommenen Blisterstreifen umgepackt worden sind, wenn es sich bei diesen neu erstellten Packungen um solche in den Größen zu 30 und/oder 50 und/oder 100 Tabletten handelt.
Dieser Klage hatte das LG mit Urt. v. 16.12.1998 teilweise – unter Abweisung i.Ü. – stattgeben (LG Hamburg, Urt. v. 16.12.1998 – 315 O 476/98). Mit dem Berufungsurteil des Senats vom 24.6.1999 wurde die Beklagte insgesamt zur Unterlassung verurteilt (OLG Hamburg, Urt. v. 24.6.1999 – 3 U 8/99). Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten ist durch Urteil des BGH v. 11.7.2002 – I ZR 198/99 zurückgewiesen worden (Beiakte LG Hamburg, Urt. v. 16.12.1998 – 315 O 476/98 = OLG Hamburg, Urt. v. 24.6.1999 – 3 U 8/99).
Die Klägerin hat vorgetragen: Die Umkennzeichnung der österreichischen TRILOC-Packungen in TRELOC beim Parallelimport sei nicht erforderlich. Für das Vorliegen einer Zwangslage (zur Umkennzeichnung) sei nicht auf die Zeit des Vertriebsbeginns, sondern auf den Schluss der mündlichen Verhandlung maßgeblich abzustellen.
Die Beklagte könne in Deutschland die Bezeichnung TRILOC weiter verwenden. Die Dritt-Marke RIFLOC sei kein Hinderungsgrund, sie sei seit mehr als fünf Jahren nicht mehr benutzt worden und daher löschungsreif (Anlagen B 1–2, Beweisantritt Bl. 29), jedenfalls unstreitig seit Anfang des Jahres 1999. Es fehle auch an der ...