Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der Kosten eines innerprozessual eingeholten Privatgutachtens
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten eines innerprozessual eingeholten Privatgutachtens sind ausnahmsweise erstattungsfähig, wenn eine Partei auf sachverständige Hilfe für einen sachgerechten Vortrag angewiesen ist, um die Vorgaben des Gerichts zu erfüllen, und das Gutachten für den weiteren Prozessverlauf eine zentrale Bedeutung erlangt.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 29.11.2005; Aktenzeichen 308 O 571/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 15.12.2005 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 8, Geschäfts-Nr. 308 O 571/03, vom 29.11.2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 7.203 EUR.
Gründe
Die von der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Zivilkammer 8 des LG Hamburg v. 29.11.2005 - 308 O 571/03 fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde vom 15.12.2005 ist zulässig, aber unbegründet.
Die Rechtspflegerin hat entgegen der Ansicht der Beklagten zu Recht die Kosten für das von der Klägerin während des Prozesses eingeholte Privatgutachten der R.-GmbH (Anlage K 15 = K 20) i.H.v. 7.203 EUR (Anlage zum Kostenausgleichungsantrag der Klägerin vom 21.9.2005, Bl. 239 ff. d.A., insb. Bl. 242 d.A.) festgesetzt.
Die Rechtspflegerin hat die in der Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit derartiger Kosten zutreffend wiedergegeben. Diese Rechtsprechung hat ihre Bestätigung insb. durch die Rechtsprechung des OLG Koblenz (OLG Koblenz OLGReport Koblenz 2006, 224; v. 20.7.2005 - 14 W 433/05, MDR 2006, 56 = OLGReport Koblenz 2005, 806) und des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 5.4.2006 - I-1 W 62/03, zitiert nach Juris), gefunden, die auch der Senat teilt (OLG Hamburg v. 22.5.1997 - 8 W 94/97, MDR 1997, 785).
Zwar gehören die Kosten eines vorgerichtlichen Privatgutachtens nur ausnahmsweise zu den im Rahmen von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu erstattenden Kosten; dies gilt erst recht für ein innerprozessual eingeholtes Privatgutachten. Aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO ergibt sich nämlich, dass der unterlegene Gegner die Kosten eines von der Gegenseite eingeholten Privatgutachtens nur zu tragen hat, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind im Kostenfestsetzungsverfahren - unbeschadet etwaiger Erstattungsansprüche aus materiellem Schadensersatzrecht - solche Kosten nur ausnahmsweise berücksichtigungsfähig (vgl. z.B. BGH v. 17.12.2002 - VI ZB 56/02, MDR 2003, 413 = BGHReport 2003, 452; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. 2006, § 91 Rz. 102 Stichwort Gutachten im Prozess; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 91 Rz. 13 Stichwort Privatgutachten, jeweils m.w.N.). Bei der Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten für ein innerprozessual eingeholtes Privatgutachten ist zu berücksichtigen, dass während des Prozesses eine Beweisaufnahme nämlich grundsätzlich nur im Rahmen gerichtlicher Beweisanordnungen stattfindet. Die Klärung umstrittener Tatsachenfragen ist nicht Sache der Parteien, sondern des Gerichts in dem nach der ZPO hierfür vorgesehenen Beweisaufnahmeverfahren, so dass die Einholung eines Privatgutachtens nur ausnahmsweise notwendig ist (OLG Hamburg v. 22.5.1997 - 8 W 94/97, MDR 1997, 785; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.4.2006 - I-1 W 62/03, zitiert nach Juris, m.w.N.)
Ein solcher Ausnahmefall ist hier allerdings gegeben. Die Kosten eines innerprozessual eingeholten Privatgutachtens sind nämlich dann erstattungsfähig, wenn die Partei den Sachverständigen einschalten musste, um ihrer Darlegungs- und Beweispflicht zu genügen, wenn die betreffende Partei angesichts eines sehr komplizierten und ihr an sich fremden Prozessstoffes trotz der Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten praktisch außer Stande ist, ohne zusätzliche Hilfe eines Sachverständigen überhaupt sachgerecht vorzutragen, sich zum Vortrag der Gegenseite zu erklären oder Auflagen des Gerichts nachzukommen (OLG Hamburg v. 22.5.1997 - 8 W 94/97, MDR 1997, 785).
Vorliegend war die Klägerin aufgrund der Hinweise des LG im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.4.2004 (Bl. 71-73 d.A.) auf sachverständige Hilfe zur Ermittlung des entgangenen Gewinns anhand von Jahresabschlüssen, Kalkulationsunterlagen, Preislisten und Verkaufsstatistiken angewiesen, um die Vorgaben des Gerichts zu erfüllen. Dieses Gutachten ist sodann vom LG zum Gegenstand des Beweisbeschlusses vom 17.12.2004 (Bl. 144 d.A.) und der Beweisaufnahme im Termin vom 16.2.2005 (Bl. 149-156 d.A.) gemacht worden. Insofern ist das LG nicht den Weg einer Beweisaufnahme innerhalb des Prozesses gegangen, sondern hat der Klägerin zunächst die - sachverständige - Aufbereitung des Prozessstoffes aufgegeben. Damit und insb. durch die anschließende Beweisaufnahme auf der Grundlage des Privatgutachtens hat das ...