Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil allein nach § 1628 BGB bei gemeinsamer elterlicher Sorge; hier: Reise nach Kasachstan
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 02.05.2011; Aktenzeichen 276 F 49/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Vaters wird der Beschluss des Familiengerichts Hamburg vom 2.5.2011, Gesch.-Nr. 276 F 29/11, wie folgt neu gefasst:
Der Mutter wird die alleinige Entscheidungsbefugnis darüber übertragen, ob die Kinder A., geb. 25.11.1995, und L., geb. 18.10.2006, in der Zeit vom 23.7. bis 11.8.2011 in Begleitung der Mutter nach Kasachstan fahren. Über sämtliche im Zusammenhang mit der Planung und Durchführung dieser Reise stehenden Angelegenheiten der Kinder entscheidet die Mutter ebenfalls allein.
Die Beschwerde des Vaters wird im Übrigen auf seine Kosten nach einem Verfahrenswert von 3.000 EUR zurückgewiesen.
Gründe
I. A.I., geb. 25.11.1995, und L. I., geb. 18.10.2006, sind die Kinder der Beteiligten O. und A. I., die deutsche Staatsangehörige sind und aus Kasachstan stammen. Die im Jahre 1995 geschlossene Ehe der Eltern wurde am 22.9.2010 geschieden. Die Eltern üben auch nach Ehescheidung die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Kinder leben bei der Mutter und haben Kontakt zum Vater.
Im Zuge diverser zwischen den Eltern anhängiger Verfahren, u.a. zur Regelung Sorgerechts und des Umgangsrecht, konnten die Eltern - mit Unterstützung der Beratungsstelle Kinde(ge)Recht - immer wieder Teileinigungen über das Umgangsrecht erzielen, zuletzt im Rahmen der im vorliegenden Verfahren in erster Instanz durchgeführten Anhörung vom 31.3.2011.
Keine gemeinsame Entscheidung war ihnen allerdings möglich über die Frage, ob die Mutter, wie von ihr seit Dezember 2010 geplant, in den Sommerferien 2011 mit den Kindern eine Reise nach Kasachstan zu ihrer Familie unternehmen könne.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht den Antrag der Mutter, ihr mit den beiden Kindern die Urlaubsreise nach Kasachstan und Russland zu ermöglichen, zurückgewiesen, weil es sich bei der von der Mutter geplanten Reise mit den Kindern in ihr Heimatland um keine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung iSd. § 1628 BGB handele und die Mutter dem gem. allein entscheidungsbefugt sei, so dass es keiner besonderen Entscheidung des Gerichts bedürfe. Auf den Beschluss wird verwiesen.
Hiergegen richtet sich der Vater mit der vorliegenden Beschwerde, die er form- und fristgerecht eingelegt hat. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Urlaubsreise jedenfalls für die 4-jährige L. wegen der Strapazen der Fahrt und der Umstellungssituation im Lande zu beschwerlich und wegen der in R. bestehenden Verhältnisse zu gefährlich sei. Die Kriminalitätsrate sei sehr hoch, Drogen- und Alkoholabhängige seien überall auf der Straße anzutreffen, außerdem Kampfhunde, von denen eine Nichte des Vaters angefallen und erheblich verletzt worden sei. Die Mutter sei im Umgang mit den Kindern leichtfertig und könne nicht auf beide Kinder gleichzeitig aufpassen. L. spreche kein Russisch und könne sich nicht zurechtfinden, zumal auch die Verwandten kein Deutsche sprächen.
Die Mutter hat erklärt, dass sie die Reise nicht, wie ursprünglich geplant, auch nach Russland durchführen werde, da sie das hierfür erforderliche Visum nicht mehr habe beantragen können. Sie beabsichtige daher, diese Zeit ebenfalls in R. zu verbringen, und habe mit der Schwester des Vaters bereits Verabredungen getroffen.
Die Eltern sind im Beschwerdeverfahren persönlich angehört worden. Auf das Protokoll wird verwiesen.
II. Die Beschwerde des Vaters ist nach den §§ 58 Abs. 1, 64, 65 Abs. 1 FamFG zulässig.
Sie ist allerdings nur insoweit begründet, als sie zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nach Maßgabe der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung führt. Danach ist der angefochtene Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Entscheidungsbefugnis für die Planung und Durchführung der Reise nach Kasachstan auf die Mutter allein zu übertragen ist. Im Übrigen ist die Beschwerde des Vaters unbegründet und daher zurückzuweisen.
1. Bei der von der Mutter geplanten Reise nach Kasachstan handelt es sich um eine Angelegenheit, die für beide Kinder von erheblicher Bedeutung ist. Sie bedarf daher entweder der Zustimmung beider Eltern oder, falls sich die Eltern nicht einigen können, der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil allein nach § 1628 BGB.
Die Entscheidungskompetenz eines Elternteils allein ohne gerichtliche Bestimmung nach § 1628 BGB kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus und sind dem gem. berechtigt und verpflichtet, die ihre Kinder betreffenden Entscheidungen in eigener Verantwortung und im gegenseiteigen Einvernehmen, also gemeinsam, zu treffen. Eine gesetzliche Regelung, nach der einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis allein obliegt, wie zB§ 1687 Abs. 1 S. 2, 3 BGB für Angelegenheiten des tägliche Lebens oder § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB für die Gelte...