Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnungs- und Aufhebungsverfahren im einstweiligen Rechtsschutz bilden auch bei getrennten Berufungsverfahren gebührenrechtlich eine Einheit i.S.v. § 40 Abs. 2 BRAGO

 

Normenkette

BRAGO § 40 Abs. 2; ZPO §§ 922, 925, 926 Abs. 2, §§ 927, 935, 939

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 16.05.2003; Aktenzeichen 416 O 262/00)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 16.5.2003 abgeändert.

Die Rechtspflegerin des LG wird angewiesen, über den Kostenfestsetzungsantrag des Antragsgegners unter Berücksichtigung der folgenden Ausführungen erneut zu entscheiden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg. Die mit Antrag vom 27.2.2003 von dem Antragsgegner im Aufhebungsverfahren zur Erstattung angemeldeten Kosten können wenigstens nicht neben den von ihm für die zweite Instanz des Anordnungsverfahrens verlangten Kosten geltend gemacht werden. Das ergibt sich aus § 40 Abs. 2 BRAGO, welcher hier in dem erwähnten Sinne zur Anwendung kommt.

Nach § 40 Abs. 2 BRAGO bildet das Verfahren über einen Antrag auf Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung mit dem vorausgegangenen Verfahren über den Antrag auf Anordnung der einstweiligen Verfügung im gebührenrechtlichen Sinne eine Angelegenheit. Die Regelung beruht auf dem Grundgedanken, dass das Aufhebungsverfahren (§§ 925, 926 Abs. 2, 927, 939 ZPO) eng mit dem vorausgegangenen Anordnungsverfahren zusammenhängt. Für den Anwalt, der bereits in dem Anordnungsverfahren tätig war, fällt deshalb im Aufhebungsverfahren im Allgemeinen keine erhebliche zusätzliche Arbeit an. Hintergrund der Vorschrift ist deshalb, dass es nicht als gerechtfertigt anzusehen wäre, zur Abgeltung der Tätigkeit im Aufhebungsverfahren die im Anordnungsverfahren bereits entstandenen Gebühren ein zweites Mal entstehen zu lassen.

§ 40 Abs. 2 BRAGO findet weiterhin nach ganz allgemeiner Ansicht auch für den zweiten Rechtszug Anwendung. Werden somit zunächst das im Anordnungsverfahren ergangene Urteil und später auch die Entscheidung über den Aufhebungsantrag angefochten, so wird auch die zweite Instanz in beiden Verfahren als eine Einheit im gebührenrechtlichen Sinne behandelt, obwohl prozessual zwei verschiedene Berufungen gegen zwei voneinander unabhängige Endurteile vorliegen (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 40 Rz. 15 m.w.N.). Demnach setzt die Anwendung von § 40 Abs. 2 BRAGO stets voraus, dass die beiden als Einheit zu behandelnden Verfahrensabschnitte im gleich geordneten Rechtszug stattfinden (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 40 Rz. 15 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen hier ganz offensichtlich vor. Der Anwendung von § 40 Abs. 2 BRAGO steht auch nicht entgegen, dass das Aufhebungsverfahren erst eingeleitet wurde, nachdem das Anordnungsverfahren in der Berufungsinstanz anhängig gewesen und dort rechtskräftig abgeschlossen worden war (vgl. OLG München Büro 1988, 474 m.w.N.).

Die beiden Berufungsverfahren sind somit gebührenrechtlich als eine Einheit anzusehen. Die Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners können deshalb nur einmal ihre Gebühren gegen diesen geltend machen. Entsprechendes gilt für den Erstattungsanspruch gegen den Verfahrensgegner. Da hinsichtlich der Erstattung der Kosten des Berufungsverfahrens im vorliegenden Fall somit zwei rechtskräftige Entscheidungen vorliegen, ist allgemein anerkannt, dass jede Partei unbeschadet des § 40 Abs. 2 BRAGO ihre Anwaltskosten aus der für sie günstigen Entscheidung zur Erstattung festsetzen lassen kann (vgl. OLG München Büro 1988, 474 m.w.N.; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.9.2001 – 14 W 625/01). Prozessual handelt es sich bei dem Anordnungsverfahren und dem Aufhebungsverfahren um zwei verschiedene Rechtsstreitigkeiten. In jedem von ihnen fallen die Gebühren neu an. Gebührenrechtlich werden im Hinblick auf § 40 Abs. 2 BRAGO jedoch beide Verfahren als eine Angelegenheit behandelt mit der Folge, dass der Prozessbevollmächtigte jeder Partei die Gebühren nur einmal erhält (vgl. auch OLG München Büro 1987, 712).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Kniep

 

Fundstellen

Haufe-Index 1111347

OLGR-BHS 2004, 23

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