Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnungsgesuche gegen drei Richter der Strafvollstreckungskammer

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 29.09.2003; Aktenzeichen 6600 Js 36/99)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 14.04.2004; Aktenzeichen 2 BvR 2225/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 5, vom 29. September 2003 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

 

Tatbestand

I.

Ob die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss vom 29. September 2003, mit dem das Landgericht die unter dem 5. November 2002 und 9. November 2002 datierten Ablehnungsgesuche des Verurteilten gegen den VRiLG Zeiger und das unter dem 29. Juli 2003 datierte Ablehnungsgesuch gegen VRiLG Zeiger sowie RiLG Prof. Dr. Plewig und RiLG Specht zurückgewiesen hat, zulässig ist, bleibt dahingestellt.

Der Senat hat bisher die Auffassung vertreten, dass § 28 Abs. 2 S. 2 StPO, wonach die einen erkennenden Richter betreffende Entscheidung nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden kann, im Vollstreckungsverfahren keine entsprechende Anwendung findet, weil die Mitglieder der Strafvollstreckungskammer, die über die Ablehnungsgesuche entschieden hat, als nicht zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufen nicht erkennender Richter im Sinne der vorgenannten Vorschriften waren (siehe dazu den Beschluss des Senats in vorliegender Sache vom 20. November 2002 – Az.: 2 Ws 230/02 – und die dortigen Nachweise zum bisherigen Meinungsstand). Nach im Vordringen befindlicher Ansicht anderer Oberlandesgerichte sind auch die Mitglieder einer Strafvollstreckungskammer in Strafvollzugs- und Strafvollstreckungssachen erkennende Richter im Sinne des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO sind (so OLG Hamm, NStZ 1983, 575 f – für verfassungsrechtlich beanstandungsfrei erklärt durch BVerfG, NStZ 1985, 91 –; OLG Stuttgart, MDR 1986, 79; OLG Düsseldorf, MDR 1987, 516; KG, Beschluss vom 22. Januar 2003 – Az.: 1 AR 63/03 – 5 Ws 39–40/03 –; a.A. insbesondere OLG München, 2. Strafsenat, Beschluss vom 18. März 1988 – Az.: 2 Ws 87/88 – in Auseinandersetzung mit der entgegenstehenden ständigen Rechtsprechung des dortigen 1. Strafsenats). Ob der vordringenden Auffassung der Vorzug gebührt, kann hier dahinstehen, da das Rechtsmittel jedenfalls unbegründet ist.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat die Ablehnungsgesuche gegen VRiLG Zeiger, RiLG Prof. Dr. Plewig und RiLG Specht im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

1. Die angefochtene Entscheidung ist ohne durchgreifende Verfahrensfehler ergangen. Insbesondere beinhaltete die erfolgte einheitliche Entscheidung über sämtliche Ablehnungsgesuche keinen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 StPO, demzufolge, wenn die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen wird, über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung entscheidet. Der Einwand der weiteren Beschwerdebegründung, über die Befangenheitsanträge habe nicht gleichzeitig – durch einen Beschluss – entschieden werden dürfen, geht fehl.

In Fällen, in denen ein Ablehnungsgesuch zugleich gegen mehrere erkennende Richter eingereicht wird, ist jedenfalls dann eine einheitliche Entscheidung sachgerecht und daher veranlasst, wenn – wie hier – auch die Ablehnungsgründe in Verbindung zueinander stehen. Der Bundesgerichtshof selbst verfährt bei Ablehnung zugleich mehrerer Richter in dieser Weise (NStZ 1995, 393). Die Entscheidung zunächst über die Befangenheit nur eines Richters – und sodann unter dessen Mitwirkung über die des nächsten Richters usw. – ist in der Verfahrensweise unökonomisch; sie führt zu langdauernden und umständlichen Zwischenverfahren mit stets wechselnder Richterbesetzung und entsprechenden weiteren Möglichkeiten von Besetzungs- und Befangenheitsrügen sowie mehrfachen, unter Umständen unterschiedlichen Entscheidungen über gleiche oder ähnliche Befangenheitsfragen. Nicht sachgerecht zu lösen wäre auch die Reihenfolge, in der über die abgelehnten Richter entschieden werden müsste. Zahlreiche Modelle, ausgerichtet an Zweckmäßigkeitserwägungen, werden – ohne dass das Gesetz insoweit eine Grundlage bietet – vertreten (vgl. Voormann, NStZ 1985, 444 ff.). Den in der Literatur vorgeschlagenen Lösungen – der Reihenfolge, in der die Namen im Ablehnungsgesuch oder im Geschäftsverteilungsplan aufgeführt sind (KK-Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 27 Rdn. 6; LR-Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 27 Rdn. 35) oder dem Anfangsbuchstaben oder Dienstalter – ist kein derartiges Gewicht beizumessen, dass sich danach der jeweilige gesetzliche Richter bestimmen sollte (BGHSt 44, 26 ff. m.w.N.).

Diese Gesichtspunkte tragen auch hier. Dass in der Entscheidung BGHSt 44, 26 von „erkennenden” Richtern ausgegangen wird, erklärt sich aus dem Umstand, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Revisionsverfahren erging; ihrer inhaltlichen Bedeutung nach beansprucht die Gedankenführung des BGH allgemeine Geltung über das Revisionsverfahren hinaus und damit auch im vorlie...

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