Leitsatz (amtlich)
1. Die fehlende Mitgliedschaft in der Wohnungsbaugenossenschaft steht der Zuweisung der Ehewohnung nach § 1586a BGB für sich genommen nicht entgegen.
2. Wegen Art. 9 Abs. 1 GG unzulässig ist aber die Übertragung der Mitgliedschaft im Rahmen der Zuweisungsentscheidung.
3. Die Genossenschaft kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund gem. § 563 Abs. 4 BGB kündigen, wenn der die Wohnung zugewiesen erhaltene Ehegatte nicht Mitglied der Genossenschaft ist.
4. Die Genossenschaft kann sich auf die Kündigung aus wichtigem Grund wegen der fehlenden Mitgliedschaft aber nur dann berufen, wenn sie dem Nichtmitglied zuvor eine Mitgliedschaft zu den üblichen Konditionen erfolglos angeboten hat.
5. Solange das Nichtmitglied daher bereit und in der Lage ist, in die Genossenschaft einzutreten, hat die Billigkeitsabwägung im Rahmen der Zuweisungsentscheidung nach § 1568a BGB auch bei einer genossenschaftlichen Wohnung nach den gewöhnlichen Maßstäben zu erfolgen.
6. Dabei ist die erste Tatbestandalternative des § 1568a Abs. 1 BGB "in stärkerem Maße angewiesen sein" vorrangig vor der Tatbestandalternative "sonstige Billigkeitsgründe" zu prüfen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 25.08.2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegnerin eine Räumungsfrist bis zum 30.06.2019 gewährt wird.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die beteiligten Ehegatten streiten um die Überlassung der Ehewohnung anlässlich der Scheidung.
Die Ehegatten heirateten am 26.07.2012 in Marokko. Aus ihrer Ehe sind keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen. Der Antragsteller lebte zum Zeitpunkt der Heirat und auch danach in der späteren Ehewohnung. Die Antragsgegnerin verblieb nach der Hochzeit zunächst in Marokko. Sie zog erst Anfang 2015 zum Antragsteller nach Hamburg in die Ehewohnung.
Der Antragsteller war zuvor schon einmal verheiratet. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder, geb. 2005 und 2007, hervorgegangen, die bei ihrer Mutter leben. Die Wohnung der Mutter der Kinder befindet sich in derselben Straße wie die verfahrensgegenständliche Wohnung.
Der Antragsteller bewohnt die verfahrensgegenständliche Wohnung seit 2009. Er ist alleiniger Mieter der Wohnung. Vermieter der Wohnung ist eine Wohnungsbaugenossenschaft. Gem. § 1 Abs. 4 des Mietvertrages ist die Nutzung der Wohnung an die Mitgliedschaft in der Wohnungsbaugenossenschaft gebunden. Die Nettokaltmiete beträgt rund 300 EUR im Monat. Die Satzung der Vermieterin sieht vor, dass die Genossenschaftsanteile eines Mitgliedes auf eine andere Person übertragen werden können. Hierfür ist nach der Satzung aber die Zustimmung der Genossenschaft notwendig. Auch eine Neuaufnahme in die Genossenschaft setzt deren Zustimmung voraus.
Sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin sind berufstätig. Der Antragsteller verdient durchschnittlich etwa 2.000,00 EUR netto im Monat, die Antragsgegnerin etwa 1.800,00 EUR netto.
Nach dem Einzug der Antragsgegnerin in die Ehewohnung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Ehegatten, deren Einzelheiten streitig sind. Jedenfalls kam es im März 2015 zu einer polizeilichen Wegweisung des Antragstellers aus der Ehewohnung. In diesem Zusammenhang sind Strafverfahren gegen den Antragsteller geführt worden. Ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung endete mit rechtskräftigem Beschluss, in dem durch das Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichendem Tatverdacht abgelehnt wurde. In einem Verfahren wegen sexueller Nötigung zu Lasten der Antragsgegnerin hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichendem Tatverdachts eingestellt. Hiergegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, über die derzeit noch nicht entschieden ist.
Nach seiner Wegweisung wohnte der Antragsteller zunächst bis Dezember 2017 zusammen mit seinem Bruder in einer Wohnung. Seit Februar 2018 hat er eine eigene Wohnung im Stadtteil Horn unbefristet angemietet. Die Nettokaltmiete für diese Wohnung beträgt 355 EUR. Der Antragsteller leistet sowohl die Miete für diese Wohnung als auch die Miete für die Ehewohnung. Weitergehende Unterhaltszahlungen an die Antragsgegnerin leistet er nicht.
Mit Schriftsatz vom 24.03.2016 beantragte der Antragsteller die Scheidung der Ehe und die Zuweisung der Ehewohnung an sich.
Der Antragsteller ist der Meinung, dass es der Billigkeit entspreche, ihm die Wohnung zuzuweisen. Es sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass er und nicht die Antragsgegnerin Alleinmieter der verfahrensgegenständlichen Wohnung sei und er die Wohnung auch schon vor der Ehe langjährig alleine bewohnt habe, während die Antragsgegnerin die Wohnung nur für rund 3 Monate bis zur Trennung bewohnt habe. Er sei auch auf die Nutzung der Wohnung stärker als die Antragstellerin angewiesen, weil ihm die Nutzung der Wohnung den regelmäßigen und insbesondere spontanen ...