Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 29.08.2011; Aktenzeichen 711a Ns 28/11) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 11a, vom 29. August 2011 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen.
Gründe
I. Mit Urteil vom 1. Februar 2011 hat das Amtsgericht Hamburg gegen den Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbes von Betäubungsmitteln auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten erkannt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft am 2. Februar 2011 Berufung eingelegt, welche sie unter dem 17. Februar 2011 auf die Frage der Strafaussetzung beschränkt hat. Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 29. August 2011 auf die - aus seiner Sicht wirksam auf die Frage der Strafaussetzung beschränkte - Berufung der Staatsanwaltschaft das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Angeklagte hat am 30. August 2011 Revision eingelegt und diese durch Verteidigerschriftsatz zugleich mit dem Antrag auf Urteilsaufhebung und mit der nicht ausgeführten Sachrüge begründet. Nach am 30. September 2011 erfolgter Urteilzustellung ist die Revision durch Verteidigerschriftsatz am 11. Oktober 2011 ergänzend dahin begründet worden, dass das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen sei; zugleich sind die Berufungsbeschränkung thematisiert und die Sachrüge zu Fragen der Strafaussetzung zur Bewährung ausgeführt worden. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO angetragen.
II. Die Revision des Angeklagten ist zulässig (§§ 333, 341, 344, 345 StPO). Ihr ist in der Sache ein - vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.
Das Berufungsurteil hält der durch die allgemeine Sachrüge veranlassten revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, weil es lückenhaft ist. Es enthält keine eigene Festsetzung der Strafe und keine zugehörigen Kernfeststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, obwohl die durch die Staatsanwaltschaft erklärte Beschränkung ihrer Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung nur im Umfang der Ausklammerung des Schuldspruches materiell wirksam ist. Da die Revision nicht auf die Frage der Strafaussetzung beschränkt ist, führt die zur Bestimmung von Strafart und -maß bestehende Lücke des Berufungsurteils zu dessen Aufhebung.
1. Die erstinstanzlich erkannte Freiheitsstrafe ist nicht wirksam von der Berufung der Staatsanwaltschaft ausgenommen.
a) Die Beschränkung einer Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte gemäß § 318 Satz 1 StPO ist nach der sogenannten Trennbarkeitsformel insoweit materiell wirksam, als sie dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit eröffnet, den angefochtenen Teil des Urteils losgelöst vom nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und gegebenenfalls tatsächlich zu beurteilen, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhaltes notwendig zu machen. Unwirksam ist eine Beschränkung demgemäß nur, wenn eine Beurteilung der angegriffenen Punkte einer Entscheidung nicht möglich ist, ohne dass dadurch die nicht angefochtenen Teile beeinflusst werden, weil sonst widersprüchliche Entscheidungen getroffen werden könnten (vgl. zu allem Senat in NStZ-RR 2006, 18, 19 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen setzt eine auf der ersten Stufe (Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch insgesamt) erklärte Berufungsbeschränkung zu ihrer materiellen Wirksamkeit voraus, dass auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen eine wie auch immer geartete - wenn auch anders als vom Amtsgericht in der Subsumtion angenommene - Strafbarkeit besteht (h.M., vgl. BGH in NStZ 1996, 352, 353; Senat, aaO.; OLG Koblenz in NStZ-RR 2008, 120; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 318 Rn. 17 a., m.w.N.). Ferner ist erforderlich, dass die erstinstanzlich zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen eine ausreichende Grundlage für eine dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat entsprechende Bemessung der Rechtsfolgen durch das Berufungsgericht bilden (vgl. Senat, aaO., m.w.N.); fehlt es an solchen hinreichenden Feststellungen zum Schuldumfang oder sind die Feststellungen widersprüchlich, gehen wegen daraus folgender Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung diesbezügliche nachträgliche Feststellungen des Berufungsgerichts ins Leere und sind statt dessen vollständige eigene Sachverhaltsfeststellungen des Berufungsgerichts als Grundlage für einen eigenen Schuldspruch geboten (vgl. Senat in OLGSt BtMG § 29 Nr. 10; BayObLG in NStZ 2000, 210, 211 a.E.).
Aus der Trennbarkeitsformel und dem Gebot der Widerspruchsfreiheit folgt auf der zweiten Stufe (Beschränkung innerhalb des Rechtsfolgenausspruches auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung), dass die durch das erstinstanzliche Gericht zur Bestimmung von Strafart und -höhe...