Leitsatz (amtlich)

Zur Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Kindes i.S.d. § 152 Abs. 1 FamFG ist in den Fällen der Fremdunterbringung entscheidend, ob das Kind nach dem Willen des Sorgeberechtigten bzw. des für das Kind bestellten Pflegers oder Vormunds für längere Zeit in der Pflegestelle verbleiben solI.

Ist der Pfleger bzw. Vormund nur aufgrund einer einstweiligen Anordnung bestellt und sind die Eltern mit der Fremdunterbringung nicht einverstanden, begründet die Entscheidung des Pflegers bzw. Vormunds zur Fremdunterbringung des Kindes regelmäßig noch keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in der Einrichtung.

 

Tenor

Das Amtsgericht Hamburg St. Georg wird als zuständiges Gericht bestimmt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens ist die Bestimmung des zuständigen Gerichts im Rahmen eines Verfahrens auf Regelung des Umgangs auf Antrag der Mutter mit ihren beiden derzeit fremduntergebrachten Kindern.

Die betroffenen Kinder lebten zunächst bis zum 16.8.2022 im Haushalt der Kindesmutter. Der Haushalt der Kindesmutter befindet sich im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek. Die Eltern lebten getrennt voneinander. Da sich die Mutter vom 16.8.2022 bis zum 20.10.2022 in stationäre Behandlung begeben musste, wechselten die Kinder im Einvernehmen der Eltern zum 16.8.2022 in den Haushalt des Vaters, der sich im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek befindet. Am 30.9.2022 nahm das Jugendamt die Kinder gegen den Willen der Eltern in Obhut. Sie befinden sich seitdem im Kinderschutzhaus S., welches sich im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg befindet.

Mit Schreiben vom 13.11.2022 beantragte der Kindesvater in einem weiteren Verfahren beim Amtsgericht Hamburg-Barmbek die Herausgabe der Kinder. Die Eltern hätten sich wieder versöhnt. Eine Fremdunterbringung sei nicht erforderlich. Über diesen Antrag ist in der Sache noch nicht entschieden worden.

In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entzog das Amtsgericht Hamburg-Barmbek den Eltern mit Beschluss vom 22.11.2022 das Sorgerecht und ordnete eine Amtsvormundschaft an. Über die hiergegen von den Eltern erhobene Beschwerde hat das OLG Hamburg derzeit noch nicht entschieden (Az. 10 UF 2/23).

Mit in diesem Verfahren bei Gericht am 21.12.2022 eingegangenem Schreiben beantragte die Kindesmutter beim Amtsgericht Hamburg-Barmbek die gerichtliche Regelung des Umgangs mit ihren Kindern. Es drohe eine Entfremdung. Gleichzeitig beantragte sie mit separatem Antrag beim Amtsgericht Hamburg-Barmbek die Übertragung des Sorgerechts für beide Kinder auf sich. Eine Kindeswohlgefährdung liege nicht vor. Sie würde ihr Sorgerecht dergestalt ausüben, dass die Kinder beim Vater leben könnten. Die Eltern hätten sich wieder versöhnt. Die Mutter halte sich nach der Versöhnung der Eltern ohnehin überwiegend im Haushalt des Kindesvaters auf.

Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek hörte die Eltern und die übrigen Beteiligten mit Verfügung vom 31.1.2023 zu einer beabsichtigten Verweisung des Verfahrens an das Amtsgericht Hamburg-St. Georg an. Mit Beschluss vom 16.2.2023 erklärte sich das Amtsgericht Hamburg-Barmbek für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Amtsgericht Hamburg-St. Georg. Der Beschluss wurde den Beteiligten übersandt. Zur Begründung hat das Amtsgericht Hamburg-Barmbek ausgeführt, die Kinder hätten ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg, weshalb dieses Gericht gem. § 152 Abs. 2 FamFG für den Sorgerechtsantrag örtlich zuständig sei. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, bestehe jedenfalls das Fürsorgebedürfnis im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hält sich nicht für zuständig und hörte seinerseits die Beteiligten mit Verfügung vom 22.2.2023 hierzu an. Mit Beschluss vom 28.2.2023 erklärte sich das Amtsgericht Hamburg-St. Georg ebenfalls für unzuständig und legte die Akte dem OLG Hamburg zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit vor. Auch dieser Beschluss wurde den Beteiligten übersandt. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg ist der Auffassung, dass die Kinder derzeit keinen gewöhnlichen Aufenthalt hätten, insbesondere keinen im Kinderschutzhaus. Ihr Aufenthalt dort sei erst von kurzer Dauer und - wie das laufende Beschwerdeverfahren zeige - von Anfang an umstritten. Entscheidend sei daher der Ort des Fürsorgebedürfnisses, der im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek liege. Dort sei das Sorgerechtsverfahren erstinstanzlich geführt worden und auch das Jugendamt und der Amtsvormund hätten dort ihren Sitz.

II. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg ist als zuständiges Gericht zu bestimmen.

1. Die Vorlage ist zulässig. Sowohl das Amtsgericht Hamburg-Barmbek als auch das Amtsgericht Hamburg-St. Georg haben sich gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG rechtskräftig für unzuständig erklärt. Erforderlich ist eine förmliche Entscheidung beider Gerichte über die eigene Unzuständigkeit, welche den Beteiligten zur Kenntnis gebracht wurde (MüKoFamFG/Pabst, § 5 Rn. 12). Dies ist vorliegend ...

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