Leitsatz (amtlich)
1. § 1361b BGB sperrt in Bezug auf die Ehewohnung Besitzschutzansprüche nach § 861 BGB.
2. Ist die Ehewohnungseigenschaft streitig, können Anträge nach § 861 BGB und § 1361b BGB als Haupt- und Hilfsantrages kombiniert werden.
3. Bei Abweisung des Hauptantrages ist der Hilfsantrag allerdings abzutrennen und ist über ihn in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden.
4. Haben die Ehegatten eine Wohnung nie in ehelicher Lebensgemeinschaft gemeinsam bewohnt, handelt es sich gleichwohl um eine Ehewohnung, wenn beide Ehegatten dies zumindest geplant hatten und der Grundvertrag für die Wohnung bereits abgeschlossen wurde.
Normenkette
BGB §§ 861, 1361b
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 7.11.2019 abgeändert und der Hauptantrag als unzulässig verworfen, im übrigen werden die Hilfsanträge abgetrennt und zur Entscheidung im Ehewohnungsverfahren an das Amtsgericht Hamburg - Familiengericht - zurückverwiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat der Antragsteller zu tragen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Herausgabe, hilfsweise Mitbenutzung einer dem Antragsteller gehörenden Wohnung in Hamburg.
Die Beteiligten sind miteinander verheiratet. Sie leben seit August 2017 getrennt voneinander. Ein Ehescheidungsverfahren ist vor dem Amtsgericht Hamburg anhängig. Aus der Ehe ist eine gemeinsame noch minderjährige Tochter hervorgegangen, die bei der Antragsgegnerin lebt.
Die Beteiligten lebten ursprünglich gemeinsam in einer Wohnung in Braunschweig. Seit August 2017 wohnt die Antragsgegnerin mit der gemeinsamen Tochter in der verfahrensgegenständlichen Wohnung in Hamburg. Der Antragsteller erwarb diese Wohnung zuvor zum Alleineigentum und renovierte sie umfangreich bis Mitte 2017. Es war zwischen den Beteiligten zunächst geplant, diese Wohnung in Hamburg nach der Renovierung als gemeinsame Wohnung zu nutzen. Zu einem tatsächlichen dauerhaften Einzug des Antragstellers in die Wohnung ist es allerdings nie gekommen. Vielmehr trennten sich die Beteiligten zuvor, wobei die Einzelheiten hierzu zwischen den Beteiligten streitig sind. Jedenfalls besuchte der Antragsteller die gemeinsame Tochter zwischen August 2017 und Dezember 2017 an einzelnen Tagen und hielt sich dabei in der Wohnung in Hamburg auf. Seit Dezember 2017 verwehrt ihm die Antragsgegnerin den Zutritt zur verfahrensgegenständlichen Wohnung, in dem sie ihm dem Schlüssel zur Wohnung abnahm.
Die Beteiligten stritten vor dem Amtsgericht Hamburg bereits in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über die weitere Nutzung der Wohnung. Im Rahmen dieses Verfahrens widerrief der Antragsteller die Duldung der weiteren Nutzung der Wohnung durch die Antragsgegnerin und forderte von ihr die Herausgabe der Wohnung. Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin in jenem Verfahren mit Beschluss vom 13.4.2018 verpflichtet, dem Antragsteller den Mitbesitz an der verfahrensgegenständlichen Wohnung einzuräumen. Der Beschluss wurde bislang nicht umgesetzt. Vollstreckungsversuche des Antragstellers blieben bislang erfolglos.
Der Antragsteller meint, ihm stehe gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Herausgabe der Wohnung nach § 985 BGB zu. Ein Recht zum Besitz stehe der Antragsgegnerin nicht zu. Er, der Antragsteller, habe die Nutzung der Wohnung durch die Antragsgegnerin nur bis März 2018 geduldet. Der Antragsgegnerin stehe auch aus Treu und Glauben in Verbindung mit der ehelichen Solidarität kein weitergehendes Besitzrecht an der Wohnung mehr zu, sie habe ausreichend Zeit gehabt, sich eine neue Wohnung zu suchen. Zudem stehe ihm ein Anspruch aus § 861 BGB auf Wiedereinräumung des Besitzes zu, weil die Antragsgegnerin ihm den Schlüssel zur Wohnung im Dezember 2017 widerrechtlich entwendet habe und damit verbotene Eigenmacht angewandt habe. Mindestens sei ihm ein Recht auf Mitbenutzung zuzubilligen.
Bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung handele es sich nicht um eine Ehewohnung. Da die Ehegatten unstreitig nie zusammen in der Wohnung gelebt hätten sondern sich die Absicht der gemeinsamen Nutzung der Wohnung mit der Trennung zerschlagen habe, sei die Wohnung jedenfalls seit der Trennung keine Ehewohnung mehr. Die Trennung sei zudem vor dem Umzug der Antragsgegnerin in die Wohnung erfolgt.
Selbst wenn es sich bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung um eine Ehewohnung handeln würde, stehe ihm jedenfalls ein Anspruch auf Mitbenutzung der Wohnung nach § 1361b BGB zu. Er sei dringend auf die Mitnutzung der Wohnung angewiesen, weil er einkommenslos und verschuldet sei. Er könne auch nicht in das ebenfalls in seinem Alleineigentum stehende ehemalige Haus seiner Eltern ziehen. Dieses Haus werde von seinen Eltern weiterhin bewohnt und stünde zum Verkauf. Auch die Nutzung des sich auf dem Grundstück befindlichen Saunahauses sei nicht möglich, weil dieses Saunahaus für die Nutzung zu Wohnzwecken behördlich nicht zugelassen sei. Derzeit bewohne er...