Leitsatz (amtlich)
In Auslieferungsverfahren löst die Teilnahme des Rechtsbeistands an Terminen zur Vernehmung des Verfolgten vor dem Amtsgericht nach den §§ 21, 22 oder 28 IRG auch nach Einführung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I, S. 2128) keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV-RVG aus.
Normenkette
IRG; VV-RVG Nr. 6102
Tenor
Die Erinnerung des Rechtsbeistands vom 25. Januar 2021 gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 13. Januar 2021 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der ehemalige Verfolgte wurde aufgrund eines Ersuchens der Republik Polen um Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung am 15. Mai 2020 festgenommen und am 16. Mai 2020 dem Ermittlungsrichter am Amtsgericht Hamburg vorgeführt. Der Ermittlungsrichter bestellte dem Verfolgten den Erinnerungsführer gemäß § 40 Abs. 1 und Abs. 2 IRG als Rechtsbeistand und vernahm und belehrte den Verfolgten nach §§ 22 Abs. 2, 28 Abs. 2 IRG. In diesem Termin, in dem der Verfolgte weder zu seinen persönlichen Verhältnissen noch zum Tatvorwurf Angaben machte sowie keine Erklärung abgab, ob Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben werden, wurde eine Festhalteanordnung gegen den Verfolgten verkündet.
Am 19. Mai 2020 erließ der Senat aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts Gdansk vom 1. Juli 2019 (XIV Kop 83/19) einen Auslieferungshaftbefehl, der dem Verfolgten am 20. Mai 2020 im Beisein seines Rechtsbeistands vor dem Amtsgerichts Hamburg verkündet wurde. In diesem Termin machte der Verfolgte kurze Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und erklärte, die Tatvorwürfe seien falsch, er wolle nicht nach Polen ausgeliefert werden.
Mit Beschluss vom 8. Juni 2020 hat der Senat die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Polen für zulässig erklärt. Das Auslieferungsverfahren ist erledigt, nachdem der Verfolgte am 24. Juni 2020 an die polnischen Behörden übergeben worden ist.
Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2020 beantragte der Rechtsbeistand für seine Tätigkeit u.a. die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV-RVG.
Mit Festsetzungsbeschluss vom 13. Januar 2021 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Gebühr nach Nr. 6201 VV-RVG als nicht erstattungsfähig angesehen.
Hiergegen wendet sich der Rechtsbeistand mit seiner Erinnerung vom 25. Januar 2021, mit der er geltend macht, dass der Gesetzgeber in Umsetzung der Europäischen Richtlinie 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 verpflichtend vorschreibt, dass bei jeder Maßnahme, die zur Inhaftierung einer Person führt, ein Verteidiger anwesend zu sein hat. Er sei benachrichtigt und gebeten worden, an den Terminen als notwendiger Rechtsbeistand teilzunehmen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung mit Beschluss vom 27. Januar 2021 nicht abgeholfen.
II.
Die gemäß § 56 Abs. 1 RVG statthafte und auch sonst zulässige Erinnerung des Rechtsbeistands gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 13. Januar 2021 ist zulässig (§ 56 Abs. 1, S. 1 RVG), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG entscheidet über die Erinnerung das Gericht grundsätzlich durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Die zuständige Einzelrichterin hat die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 2 RVG).
2. Die Erinnerung ist unbegründet. Dem Erinnerungsführer steht kein Vergütungsanspruch nach Nr. 6102 VV-RVG für seine Tätigkeit in diesem Verfahren zu.
a) Im Rahmen des Auslieferungsverfahrens löst die Teilnahme des Rechtsbeistands an Terminen zur Vernehmung des Verfolgten vor dem Amtsgericht nach den §§ 21, 22 oder 28 IRG auch nach Einführung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I, S. 2128) keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV-RVG aus.
aa) Nach der nahezu einhelligen Auffassung der Oberlandesgerichte zur bisherigen Rechtslage ist anerkannt, dass im Auslieferungsverfahren ein Termin vor dem Richter beim Amtsgericht - sei es zur Entscheidung über eine Festhalteanordnung, sei es zur Verkündung eines Haftbefehls - eine Terminsgebühr nicht auslöst (Senatsbeschl. v. 21.02.2006 - Ausl 24/05, juris; Hans. OLG Bremen, Beschl. v. 12.09.2018 - 1 Ausl A 2/18, juris; OLG Dresden, Beschl. v. 18.06.2018 - 1 (S) AR 48/17, juris; OLG Köln, Beschl. v. 10.01.2018 - 6 AuslA 195/17-110, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 25.10.2016 - 1 Ws 241/16 und v. 30.03.2006 - 2 (s) Sbd IX 43/06, jeweils bei juris; OLG Stuttgart; Beschl. v. 01.10.2009 - 1 Ausl 1110/09, juris; OLG Celle, Beschl. v. 14.12.2009 - 1 Ars 86/09, juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.07.2009 - 2 Ausl (A) 30/08, juris; OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.03.2009 - Ausl 56/08, juris; OLG Rostock, Beschl. v. 12.03.2009 - Ausl 14/0...