Leitsatz (amtlich)
Eine kosmetische Behandlung (Permanent Make Up) ist keine Heilbehandlung i.S.v. § 72 a Abs. 1 Nr. 3 GVG.
Normenkette
GVG § 72a Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 11.12.2018; Aktenzeichen 322 O 340/18 (1)) |
Tenor
Zuständig ist die Zivilkammer 22 des Landgerichts Hamburg.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen eines aus ihrer Sicht fehlgeschlagenen Permanent Make-Up. Die Klägerin hatte mit Frau S. mündlich vereinbart, dass im Kosmetikstudio, das nach Vortrag der Klägerin von der Beklagten betrieben wird, im Bereich der Augenbrauen und Augenlider ein Permanent Make-Up vorgenommen werden sollte. Es fand am 10. 3. 2018 eine Behandlung statt. Die Klägerin hält das Ergebnis für mangelhaft, weil die Augenbrauen asymmetrisch seien und eine grau/blaue Farbe angenommen hätten. Frau S., die auf Seiten der Beklagten materiell vorgetragen hat, bestreitet das.
Der Rechtsstreit wurde der (allgemeinen) Zivilkammer 22 zugeteilt. Der zuständige Einzelrichter führte in einem Vermerk vom 9. 10. 2018 aus, dass es sich um eine Heilbehandlungssache im Sinne von § 72a GVG handele, und gab den Rechtsstreit an die zuständige Zivilkammer für Heilbehandlungssachen ab. Die Vorsitzende der Zivilkammer 23 führte in einem Vermerk vom 19. 10. 2018 aus, dass eine Zuständigkeit der (für Heilbehandlungssachen zuständigen) Zivilkammer 23 nicht gegeben sei und legte die Akte dem Präsidium des Landgerichts Hamburg vor. Das Präsidium des Landgerichts Hamburg beschloss am 30. 10. 2018, dass die (allgemeine) Zivilkammer 22 für die Sache zuständig sei.
Der Einzelrichter der Zivilkammer 22 ordnete durch Verfügung die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an. Er unterrichtete die Parteien des Rechtsstreits über den Zuständigkeitsstreit und gab Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen. Beide Parteien nahmen zur Zuständigkeitsfrage keine Stellung. Die Zivilkammer 22 legte die Sache durch Beschluss vom 11. 12. 2018 dem Hanseatischen Oberlandesgericht zur Bestimmung der zuständigen Kammer vor. Der Senat gab den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Zivilkammer für Arzthaftungssachen zuständig sei. Die Beklagte hat sich zur Zuständigkeitsfrage nicht geäußert.
II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Zuständig ist die Zivilkammer 22 als allgemeine Zivilkammer. Eine Spezialzuständigkeit einer für Streitigkeiten aus Heilbehandlungen zuständigen Zivilkammer gemäß § 72 a Satz 1 Nr. 3 GVG besteht nicht.
Der Senat folgt der Auffassung der Zivilkammer 22 des Landgerichts Hamburg im Beschluss vom 11. 12. 2018, dass für die Frage, ob die Spezialzuständigkeit einer Kammer nach § 72 a GVG besteht, im Falle eines Zuständigkeitsstreits nicht das Präsidium zuständig ist, sondern das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durchgeführt werden muss (vgl. BT-Drucks. 18/11437, Seite 45; KG, MDR 2018, 820, zitiert nach juris, Tz. 4 und 5; OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. 4. 2018, 13 SV 6/18, zitiert nach juris, Tz. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. 6. 2018, 11 SV 25/18, zitiert nach juris, Tz. 12 und 13; KG, Beschluss vom 23. 7. 2018, 2 AR 32/18, zitiert nach juris, Tz. 3; OLG Hamburg [erkennender Senat], Beschluss vom 6. 8. 2013, 6 AR 10/18, zitiert nach juris, Tz. 9; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. 6. 2018, 1 AR 990/18, zitiert nach juris, Tz. 23; OLG Bamberg, Beschluss vom 31. 8. 2018, 2 ZIV AR 2/18, zitiert nach juris, Tz. 18; Zöller/ Lückemann, ZPO, 32. Aufl., § 72 a GVG, Rn. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 39. Aufl., § 72 a GVG, Rn. 9; Prütting/Gehrlein/Kotzian-Marggraf, ZPO, 10. Aufl., § 72 a GVG, Rn. 7; Klose, Reform des Bauvertragsrechts 2017, MDR 2017, 793, 795; Fölsch, Mehr Spezialisierung in der Ziviljustiz, DRiZ 2017, 166, 167).
Auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Insbesondere liegen hier "rechtskräftige" Erklärungen der beteiligten Kammern vor.
Es wird zum Teil allerdings die Auffassung vertreten, dass eine "rechtskräftige" Entscheidung im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur dann vorliegt, wenn ein Urteil oder ein Beschluss ergangen ist, eine bloße Verfügung hingegen nicht ausreicht (vgl. Kammergericht, KGR 2008, 1001, zitiert nach juris, Tz. 3; OLG Schleswig, ZInsO 2010, 574, zitiert nach juris, Tz. 15). Der Senat hat sich dieser Auffassung in einem Beschluss vom 6. 1. 2017, 6 AR 56/16, angeschlossen (nicht veröffentlicht).
Es ist aber zu berücksichtigen, dass die genannten Entscheidungen im Wesentlichen formlose Rückgabeverfügungen betrafen, denen zunächst ein Verweisungsbeschluss gemäß § 281 ZPO vorausgegangen war. Es handelte sich also um Verfahren, die im Grundsatz gesetzlich geregelt sind und förmliche Beschlüsse vorsehen (vgl. § 281 ZPO; für Verweisungen nach § 102 GVG gilt Entsprechendes). Das ist im vorliegenden Fall anders. Das Verfahren einer Abgabe für den Fall, dass ein Rechtsstreit zu Unrecht an...