Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme wegen neuer Beweismittel
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Probationsverfahren kann es zur Verwerfung des Wiederaufnahmeantrages als unzulässig nur dann kommen, wenn die zur Unzulässigkeit führenden Gründe schon von Anfang an vorgelegen haben, aber erst jetzt entdeckt worden sind.
2. Hiervon ist nicht auszugehen, wenn benannte Zeugen erst während des Probationsverfahrens unerreichbar geworden oder verstorben sind.
3. Aussagen eines Zeugen sind dann nicht ungeeignet i.S. von § 359 Nr. 5 StPO, wenn dieser im vorangegangenen Verfahren zu bestimmten Beweisthemen nicht gehört worden ist.
4. Dass ein Zeuge im Wiederaufnahmeantrag nicht als Beweismittel bezeichnet worden ist, ist dabei unschädlich.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 606 Kls 2/95) |
Gründe
1. Das Landgericht Hamburg hat den Beschwerdeführer am 1993 wegen schwerer räuberischer Erpressung am 21. Januar in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat dazu festgestellt: Der damalige Angeklagte EI Said und der Zeuge K handelten mit gebrauchten Kraftfahrzeugen. S meinte, von seinem Konkurrenten "K" Schadensersatz beanspruchen zu können. Bei einem Zusammentreffen an einer Autowerkstatt in der _ straße am 14. Dezember 1991 beschloss "S" von dem Zeugen Zahlung zu verlangen und ihm im Weigerungsfalle unter Vorhalt eines Messers seinen PKW wegzunehmen und zu verkaufen. Als K dem Zahlungsverlangen nicht nachkam, schlug S ihn mit drei Faustschlägen an den Kopf zu Boden und veranlasste ihn sodann zur Herausgabe der Schlüssel für das Fahrzeug, indem er ihm ein Messer an das Kinn hielt. In dem Auto des Zeugen fuhr S dann davon.
Entgegen diesen Feststellungen hatte sich "S" dahin eingelassen, dass er sich bei der genannten Gelegenheit mit K gestritten und man sich schließlich darauf verständigt habe, in dem PKW des Zeugen zu einem Landsmann zu fahren, der habe vermitteln sollen. Es sei dann aber noch zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen; er habe K ein bis zwei Ohrfeigen versetzt. Wegen der zuvor verabredeten Fahrt im Auto des Zeugen habe er noch dessen Autoschlüssel in Händen gehabt. Damit habe er später den im weggefahren, um den Zeugen zu ärgern.
Das Landgericht hat die den Schuldspruch tragenden Feststellungen im wesentlichen auf die Aussagen des Zeugen K vor der Polizei und auf die Bekundungen des Zeugen R gestützt, bei dem es sich um den einzigen unbeteiligten Zeugen gehandelt habe, der mit seiner Lebensgefährtin B zufällig am Tatort vorbeigekommen und Zeuge der Auseinandersetzung geworden sei. Die Möglichkeit, dass der Zeuge R zu seiner Aussage von dem Zeugen K veranlasst worden sein könnte, hat die Strafkammer verworfen. Die Bekundungen der Zeugin B, die ihre den damaligen Angeklagten belastenden Aussagen vor der Polizei in der Hauptverhandlung zurückgenommen und erklärt hatte, sie habe nicht beobachtet, dass bei der Auseinandersetzung ein Messer verwendet worden war, hat das Landgericht nicht verwertet.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. Juni 1994 hat der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Er hat geltend gemacht, der Zeuge K werde nunmehr zugeben, dass ihn S seinerzeit nicht mit einem Messer bedroht und dass er zusammen mit dem Zeugen R den Zeugen R, der überhaupt nicht am Tatort gewesen sei, durch Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 400,- oder 500,- DM veranlasst habe zu bekunden, dass S gegen K ein Messer eingesetzt habe. Diesen Antrag hat das Landgericht am 8. September 1994 zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers hat der Senat dagegen mit Beschluss vom 8. November 1994 die Wiederaufnahme des Verfahrens insoweit für zulässig erklärt, als der Beschwerdeführer behauptete, der Zeuge K habe den Zeugen R zusammen mit dem Zeugen R durch eine Geldzahlung zu einer Falschaussage veranlasst. Nachdem die Bemühungen des Landgerichts um Vernehmung des Zeugen K durch ein Mitglied der Strafkammer gescheitert waren, hat das Landgericht mit Beschluss vom 14. September 1999 den Wiederaufnahmeantrag als unzulässig verworfen.
2. Die dagegen von dem Verurteilten rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde hat Erfolg.
Bei dem jetzigen Stand des Wiederaufnahmeverfahrens geht es darum, ob die in dem Wiederaufnahmeantrag aufgestellte Behauptung genügend Betätigung findet, vgl. § 370 Abs. 1 StPO (Probationsverfahren). In diesem Verfahrensabschnitt kann es zur Verwerfung des Wiederaufnahmeantrages als unzulässig entgegen der Auffassung des Landgerichts nur dann kommen, wenn die zur Unzulässigkeit führenden Gründe schon von Anfang an vorgelegen haben, aber erst jetzt "entdeckt" werden (vgl. dazu besonders Gössel in LR-StPO, 25. Aufl. Rdn. 9 und Paulus in KMR-StPO, 1988, Rdn. 4 - je zu § 370; ebenso auch Schmidt in KK-StPO, 4. Aufl., Rdn. 7 zu 5 370; derartige Fallgestaltungen lagen auch den Entscheidungen HansOLG Hamburg GA 67, 317, OLG Neustadt OLGSt (alt) 1 zu § 359 StPO und OLG Dresden HRR 1937, 841 zugrunde...