Leitsatz (amtlich)
Eine staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung im Sinne des § 161 a StPO setzt voraus, dass ein Staatsanwalt die Vernehmung leitet und das Vernehmungsgespräch im Wesentlichen selbst führt. Eine - über den Staatsanwalt unterstützende Befragung hinausgehende - Zeugenvernehmung durch einen Polizeibeamten in Gegenwart des Staatsanwalts beinhaltet keine zur Sachaussage verpflichtende und bei grundloser Aussageverweigerung ordnungsmittelbewehrte staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung.
Normenkette
StPO §§ 70, 161a
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 02.04.2009; Aktenzeichen 601 Qs 1/09) |
AG Hamburg-Mitte (Entscheidung vom 13.03.2009; Aktenzeichen 161 Gs 248/08) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Zeugen F. werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg, Abteilung 161, vom 13. März 2009 und des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 1, vom 2. April 2009 aufgehoben.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin entstandenen notwendigen Auslagen des Zeugen.
Gründe
I.
Die Beschuldigten L. und Al.-S. werden verdächtigt, als Mittäter tateinheitlich einen versuchten Totschlag und eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben, indem sie mit weiteren bislang nicht ermittelten Mittätern den Geschädigten Ö. am 15. März 2008 unter einem Vorwand auf das Gelände einer Tankstelle lockten und dort mit Schußwaffen auf den Geschädigten schossen und diesen verletzten. Die Angreifer wie auch der Geschädigte waren Angehörige des Hamburger "Rotlichtmilieus". Der Zeuge F. war auf Seiten der Beschuldigten zu dem Angriff auf den Geschädigten hinzugezogen worden; er wirkte auf Seiten der Beschuldigten bei dem Angriff mit. Mit Anklage der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 22. Mai 2008 war ihm deshalb vorgeworfen worden, eine geladene halbautomatische Selbstladewaffe bei sich getragen und aus dieser im Rahmen der Schießerei auf dem Tankstellengelände acht Patronen verfeuert, sich sodann mit den anderen Angreifern von dem Gelände entfernt und, als die Besatzung eines Streifenwagens der Polizei auf das Geschehen aufmerksam geworden war, mit seiner Waffe siebzehn Schüsse in die Luft abgegeben zu haben, um auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Polizeibeamten von seinen Begleitern abzulenken und diesen so die Flucht zu ermöglichen, womit er auch Erfolg hatte. Der Zeuge ist deswegen durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Juli 2008 rechtskräftig wegen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist (§§ 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, Abs. 3 Nr. 2 lit. b WaffG, 52, 56 StGB).
Auf polizeiliche Zeugenladung in dem gegen die Beschuldigten eingeleiteten Ermittlungsverfahren teilte der Zeuge F. am 5. Februar 2009 mit, dass er zu dem polizeilichen Vernehmungstermin nicht erscheinen werde, weil er sich auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO wegen eigener Straftatbeteiligung berufe.
Der Zeuge F. wurde sodann von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg zur staatsanwaltschaftlichen Vernehmung geladen - in die Räume des Polizeipräsidiums Hamburg, LKA 65 -, wo er am 17. Februar 2004 zu dem Vernehmungstermin erschien. Das dort aufgenommene Protokoll hält folgendes fest:
"Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg ...
Gegenwärtig Staatsanwalt Sch. als Vernehmender ...
Protokoll
In der Ermittlungssache gegen die Beschuldigten S. L. und A. Al.-S. wegen Verstoßes gegen das WaffG u.a. Delikte erschien auf Ladung D. F.
Ihm wurde der Gegenstand der Untersuchung und die Person der Beschuldigten bezeichnet.
", Über seine persönlichen Verhältnisse befragt, erklärte er:
Vorname und Name: siehe Akte
... Beruf: Kraftfahrer
Anschrift: ...
Ist der Zeuge mit den Beschuldigten verwandt oder verschwägert? Nein"
Es folgt die Unterschrift des Zeugen.
Weiter heißt es in dem Protokoll - am Ende des (ersten) Protokollblattes -:
"Sodann zur Sache:"
Daran schließt an ein (zweites) Blatt folgenden Inhalts:
"Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Inneres, Polizei Dienststelle: LKA 65 n" ...
Vernehmungsort Vernehmungsraum LKA 65
...
PersonS.en: Beruf Kraftfahrer
Name: F., Vorname: D. ...
Erklärung ...
Ich bin darüber belehrt worden, dass ich als Angehöriger das Zeugnis verweigern kann. Ich sage aus. Außerdem bin ich darüber belehrt worden, dass ich die Auskunft auf solche Fragen verweigern kann, deren Beantwortung mich oder einen Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
Selbst gelesen, richtig und unterschrieben.
Geschlossen:"
Es folgen die Unterschriften des Polizeibeamten L. und des Zeugen.
Unter gleichem Kopf (Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Inneres, Polizei ...) schließt an ein weiteres (drittes) Blatt folgenden Inhalts:
"Zeugenschaftliche Vernehmung des D. F. ...
Herr F. erscheint heute nach der staatsanwaltschaftlichen Vorladung an hiesiger Dienststelle. Bei der nachfolgenden ...