Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 28.10.2015; Aktenzeichen 605 Vollz 26/15)

 

Tenor

1. Dem Sicherungsverwahrten wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. bewilligt.

2. Auf die Rechtsbeschwerden der Justizbehörde und des Sicherungsverwahrten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 5 als Strafvollstreckungskammer, vom 28. Oktober 2015 aufgehoben.

3. Unter Aufhebung des auf den Antrag des Sicherungsverwahrten vom 16. Januar 2015 mündlich ergangenen Bescheids der JVA Fuhlsbüttel, wird die JVA Fuhlsbüttel verpflichtet, den Antrag des Sicherungsverwahrten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden. Der weitergehende Antrag des Sicherungsverwahrten auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

4. Die weitergehenden Rechtsbeschwerden werden verworfen.

5. Der Sicherungsverwahrte trägt die Kosten des Verfahrens, jedoch werden die Gebühren jeweils um ½ ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Sicherungsverwahrten trägt die Staatskasse zu ½.

6. Der Gegenstandswert wird auf 3.000,- € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Sicherungsverwahrte H. befindet sich seit 2007 in der Sicherungsverwahrung der JVA Fuhlsbüttel. Zuvor hatte er eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen, wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verbüßt.

Mit Antrag vom 16. Januar 2015 beantragte der Sicherungsverwahrte schriftlich die Gewährung eines unbegleiteten Ausgangs am 09. Februar 2015. Er beabsichtigte, die Haftentlassenenhilfe aufzusuchen, die Staatsbibliothek zu besuchen, dort Kopien zu fertigen sowie Einkäufe und Bankgeschäfte zu erledigen.

Mündlich wurde ihm daraufhin von seinem Abteilungsleiter mitgeteilt, dass er noch nicht für unbegleitete Haftausgänge geeignet sei. Schriftlich wurde sein Antrag nicht beschieden.

Gegen diese mündlich erteilte Ablehnung wendete sich der Sicherungsverwahrte mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit der er geltend machte, umgehend unbegleitete Ausgänge zu erhalten. Später konkretisierte er seinen Antrag dahingehend, die JVA zu verpflichten, ihm zunächst wöchentliche unbegleitete Ausgänge für jeweils 3 Stunden, diesen Zeitraum nach beanstandungsfreiem Verlauf auf 5 Stunden und schließlich auf 8 Stunden zu erweitern.

Die JVA beantragte, den Antrag zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2015 hat das Landgericht Hamburg die JVA Fuhlsbüttel - unter Zurückweisung des Antrags des Sicherungsverwahrten im Übrigen - verpflichtet, dem Sicherungsverwahrten "unbegleitete Ausgänge von zunächst 1-2 Stunden" zu gewähren.

Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, dass die von der JVA in der Antragserwiderung geltend gemachten Erwägungen zur Feststellung einer Missbrauchs- und Fluchtgefahr ermessensfehlerhaft seien.

Die JVA habe den Sachverhalt bezüglich konkreter Umstände, die für eine Fluchtgefahr sprechen könnten, nicht ermittelt. Bei der Erörterung der Missbrauchsgefahr habe die JVA in ihrer Antragserwiderung einen falschen Gefahrenbegriff zugrunde gelegt. Die JVA hätte sich mit der Frage auseinander setzen müssen, ob auch bei einem Ausgang von wenigen Stunden Dauer von einer Missbrauchsgefahr auszugehen sei. Den letzten Anlasstaten sei nämlich eine Kennenlernphase vorausgegangen. Zudem hätte sich die JVA damit auseinander setzen müssen, dass der Sicherungsverwahrte nunmehr im gerichtlichen Verfahren erklärt habe, er wolle - entgegen seiner vorher auch noch im Vollzug geäußerten Einstellung - fortan den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen meiden.

Es sei auch fehlerhaft, wenn die JVA in ihrer Antragserwiderung die Missbrauchsgefahr mit der Notwendigkeit der Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung begründe.

Es liege eine Ermessensreduzierung auf null vor. Zur Begründung hat die Kammer auf ihre vorherigen Ausführungen zu den festgestellten Erörterungsdefiziten verwiesen. Anhaltspunkte für eine Flucht- und Missbrauchsgefahr seien demgemäß nicht ersichtlich.

Den weitergehenden Antrag des Sicherungsverwahrten hat die Kammer mit der Erwägung zurückgewiesen, dass die JVA beurteilungsfehlerfrei festgestellt habe, bei zeitlich längeren Ausgängen bestünde eine Missbrauchsgefahr.

Gegen den Beschluss haben sowohl die Justizbehörde als auch der Sicherungsverwahrte Rechtsbeschwerde eingelegt.

Die Justizbehörde macht geltend, der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei zu unbestimmt. Es bleibe unklar, was unter dem Begriff "zunächst" gemeint sei und in welchem zeitlichen Rhythmus die Ausgänge zu gewähren seien.

Außerdem habe die Strafvollstreckungskammer den Beurteilungs- und Ermessensspielraum der JVA nicht beachtet und stattdessen eigene Prognose- und Ermessenserwägungen angestellt. Soweit die Kammer darauf abgestellt habe, dass den letzten Anlasstaten jeweils eine Kennenlernphase zwischen Täter und Opfer vorausgegangen sei, verkenne die Kammer, dass sich die Kennenlernphase...

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