Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verweisungsbeschluss, der auf fehlerhafter Erfassung des Klagebegehrens beruht, ist nicht bindend gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO.
2. Im Konkurrenzfall der beiden ausschließlichen Gerichtsstände des § 797 Abs. 5 ZPO und § 800 Abs. 3 ZPO geht der dingliche Gerichtsstand des § 800 Abs. 3 ZPO vor. Das gilt auch bezüglich eines zugleich streitgegenständlichen persönlichen Anspruchs.
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das LG Hamburg bestimmt.
Gründe
I. Im Rahmen eines mit Hilfe der Beklagten finanzierten Immobilienerwerbs haben die Kläger bei der Beklagten ein Darlehn aufgenommen (Vertrag: Anl. K 1) und der Beklagten zur Sicherheit eine Grundschuld bestellt. In der notariellen Urkunde vom 23.1.1996 über die Grundschuldbestellung (Anl. K 8) heißt es u.a.:
„III. Wegen des Grundschuldkapitals und der Zinsen unterwirft sich der Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in den belasteten Grundbesitz in der Weise, dass die Zwangsvollstreckung auch gegen den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundbesitzes zulässig sein soll.
…
V. Für die Zahlung des Grundschuldbetrages samt Zinsen und Nebenleistungen übernehmen [die Kläger] als Gesamtschuldner die persönliche Haftung und unterwerfen sich wegen dieser persönlichen Haftung der Gläubigerin gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in das gesamte Vermögen.”
Die Kläger fühlen sich beim Immobilienerwerb betrogen, haben den Darlehnsvertrag angefochten und beantragen im Wege der Vollstreckungsgegenklage, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde [Anl. K 8] für unzulässig zu erklären. Die Kläger wohnen im Bezirk des LG Frankfurt/Oder. Das mit der Grundschuld belastete Grundstück befindet sich im Bezirk des LG Hamburg. Die dort erhobene Klage hat das LG Hamburg mit Beschl. v. 23.1.2003 nach Anhörung der Parteien unter Hinweis auf § 797 Abs. 5 ZPO an das LG Frankfurt/Oder verwiesen. Jenes hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12.2.2003 an das LG Hamburg zurückverwiesen, das die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt hat.
II. 1. Die Entscheidung des Zuständigkeitskonflikts obliegt gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO dem OLG Hamburg, in dessen Bezirk sich das zuerst mit der Sache befasste LG Hamburg befindet. Jenes hat seine Zuständigkeit mit rechtskräftigem (zu dieser Voraussetzung: BGH v. 24.2.2000 – III ZB 33/98, BGHZ 144, 21 [24]) Beschl. v. 23.1.2003 verneint. Durch den Beschluss vom 12.2.2003 über die Zurückverweisung an das LG Hamburg hat auch das LG Frankfurt/Oder rechtskräftig seine Unzuständigkeit erklärt.
2. Für die Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage ist das LG Hamburg zuständig. Das ergibt sich aus §§ 800 Abs. 3, 802 ZPO. Der Verweisungsbeschluss des LG Hamburg ist nicht bindend.
a) Zu dem Verhältnis der beiden – nach § 802 ZPO jeweils ausschließlichen – Gerichtsstände des § 797 Abs. 5 und § 800 Abs. 3 ZPO werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (dazu sogleich b)). Der Verweisungsbeschluss eines Gerichts, das sich begründet für eine der in Lit. oder Rspr. vertretenen Auffassungen entscheidet oder das mit nachvollziehbaren Gründen eine eigene Auffassung entwickelt, ist bindend gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Darauf, ob die Rechtsmeinung, die dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegt, „herrschend” ist und ob sie von dem Gericht, an das verwiesen wurde, geteilt wird, kommt es in einem solchen Fall nicht an.
Anders ist es im vorliegenden Fall. Der Verweisungsbeschluss des LG Hamburg geht von falschen Voraussetzungen aus und ist deshalb nicht bindend, sondern „willkürlich” im Sinne der zu § 281 Abs. 2 entwickelten Rechtsprechung (zu dem Fall der falschen Sachverhaltserfassung: KG Berlin v. 22.5.1998 – 28 AR 34/98, KGReport Berlin 1998, 326 = MDR 1999, 56; vgl. auch BayObLG NJW-RR 2002, 1295 [1296]). Das LG Hamburg hat zwar in seinem Verweisungsbeschluss den Gerichtsstand des § 800 Abs. 3 ZPO erwähnt. Es hat die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aber nicht aus rechtlichen Gründen verneint, sondern aufgrund der Annahme, die Kläger wendeten sich vorliegend „gegen eine … Vollstreckung wegen des persönlichen Anspruchs der Beklagten aus dem Darlehnsvertrag”. Es ist nicht erkennbar, wie das LG Hamburg zu dieser Annahme gelangt.
Der Streitgegenstand wird zunächst durch das Klagebegehren bestimmt, das in dem Klagantrag zum Ausdruck kommt (vgl. KG Berlin v. 16.9.1989 – 4 W 2337/89, NJW-RR 1989, 1407 [1408]). In dem Klagantrag ist von dem Darlehnsvertrag (Anl. K 1) nicht die Rede. In der Begründung der Klage werden allerdings in erster Linie Einwendungen gegen den Darlehnsvertrag erhoben. Verhindert werden soll aber die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 23.1.1996 (Anl. K 8). Dort findet sich die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in den Abschn. III. und V. Dabei sichert Abschnitt III. den dinglichen Anspruch und Abschnitt V. einen persönlichen Anspruch,
dessen Grundlage – mangels Erwähnung des Darlehnsvertrages – ein in Absch. III. enthaltenes abstrak...