Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfiskus als Gläubiger vorschusspflichtig für Prozessführung des Insolvenzverwalters

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Steuerfiskus als Gläubiger in einem Insolvenzverfahren ist die Leistung eines Kostenvorschusses für die vom Insolvenzverwalter beabsichtigte Prozessführung trotz der in § 2 Abs. 1 GKG geregelten Kostenbefreiung zumutbar, auch wenn es an einer Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel fehlt.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 29.02.2004; Aktenzeichen 329 O 274/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 29, vom 29.2.2004 - 329 O 274/04 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der R. GmbH (Schuldnerin) und begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung einer Klage gegen den Antragsgegner.

Der Antragsgegner war Gesellschafter der Schuldnerin, deren Inventar im Dezember 2002 für 30.000 Euro veräußert wurde. Diese Summe wurde im Januar 2003 auf ein Konto bei der V-Bank überwiesen. Der Antragsteller wurde durch gerichtlichen Beschluss vom 15.5.2003, Geschäfts-Nr.: 67a IN 100/03, zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Einziger Tabellengläubiger ist das Finanzamt H. mit einer Forderung von 100.203,38 Euro.

Der Antragsteller hat behauptet, dass es sich bei dem vorbezeichneten Konto um ein Privatkonto des Antragsgegners gehandelt habe.

Zur Durchführung eines auf Rückzahlung dieser Summe gerichteten Rechtsstreits hat er beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen.

Das LG hat den Antrag durch Beschluss vom 21.9.2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beabsichtigte Klage habe keine Aussicht auf Erfolg, weil erhebliche Umstände dafür sprächen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Konto um eines der Schuldnerin gehandelt habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, die am 1.10.2004 beim LG Hamburg eingegangen ist.

Der Antragsteller ist u.a. der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfüllt seien. Es könne dem Finanzamt H. nicht zugemutet werden, die Kosten für den beabsichtigten Rechtsstreit aufzubringen. Zudem lehnten die Behörden im Hinblick auf die Regelung des § 2 Abs. 1 GKG die Zahlung von Prozesskostenvorschüssen ab. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe sei daher auch geboten, um eine faktische Freistellung des Antragsgegners von dem begründeten Rückforderungsbegehren des Antragstellers zu verhindern. Dies gelte speziell vor dem Hintergrund der öffentlichen Aufgabenerfüllung durch den Antragsteller als Insolvenzverwalter.

Der Antragsteller beantragt, dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stattzugeben.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung des LG ist im Ergebnis zutreffend, da die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vorliegen. Dem Finanzamt H. ist es als am Gegenstand des beabsichtigten Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten gem. § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuzumuten, die Kosten hierfür aufzubringen.

Das Finanzamt H. ist wirtschaftlich Beteiligter i.S.d. § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, da es bezüglich der zur Tabelle angemeldeten Forderung von ca. 100.000 Euro bei einem erfolgreichen Abschluss des beabsichtigten Rechtsstreits mit einem Streitwert von 30.000 Euro jedenfalls mit einer teilweisen Befriedigung dieses Masseanspruchs rechnen kann (BGH v. 8.10.1992 - VII ZB 3/92, MDR 1993, 80 = NJW 1993, 135 [136]; NJW 1977, 2317).

Dem Finanzamt H. kann ein Kostenvorschuss entgegen der Ansicht des Antragstellers auch zugemutet werden. Zum einen existiert auf Grundlage des § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO keine generelle Freistellung des Steuerfiskus von der Kostenaufbringung (1.). Zum anderen ist dem Finanzamt H. auch auf Grundlage der vorliegenden Einzelfallumstände ein Kostenvorschuss zumutbar (2.).

1. Soweit zum Teil von einer generellen Freistellung des Steuerfiskus zur Kostenaufbringung im Rahmen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ausgegangen wird, ist dem im Ergebnis nicht zu folgen. Begründet wird die Annahme einer generellen Freistellung im Wesentlichen damit, dass es zum einen regelmäßig an der faktischen Bereitstellung von Haushaltsmitteln fehle, was es den öffentlichen Kassen unzumutbar mache, Prozesskostenvorschüsse zu leisten. Zum anderen resultiere die generelle Freistellung auch aus der Bevorrechtigung der Ansprüche des Fiskus nach § 61 KO, wodurch der Gesetzgeber ein besonderes öffentliches Interesse an der Befriedigung dieser Ansprüche zum Ausdruck gebracht habe (Pape, NZI 1998, 64 [65], m.w.N.).

Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Auf die fehlende Bereitstellung von Haushaltsmit...

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