Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwerfung eines Wiedereinsetzungsantrags als Voraussetzung der befristeten speziellen Anhörungsrüge
Leitsatz (amtlich)
›Eine zur Statthaftigkeit der befristeten speziellen Anhörungsrüge nach § 356a StPO statt der unbefristeten allgemeinen Anhörungsrüge nach § 33a StPO führende Revisionsentscheidung" liegt auch dann vor, wenn der Antragsteller geltend macht, das Revisionsgericht habe in einem nach § 346 Abs. 2 StPO ergangenen Beschluss den Anspruch auf rechtliches Gehör bei der Verwerfung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisions(begründungs)frist verletzt.‹
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 15.06.2007) |
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 15. Juni 2007 hat das Landgericht Hamburg die Revision des Angeklagten gegen sein Berufungsurteil vom 23. Januar 2007 als wegen Verspätung der Revisionsbegründung unzulässig verworfen (§ 346 Abs. 1 StPO). Dagegen hat der Angeklagte auf Entscheidung des Revisionsgerichts angetragen und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beantragt. Der Senat hat mit Beschluss vom 4. Februar 2008 den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen, weil nichts zum Wegfall des Hindernisses in der Person des Angeklagten vorgetragen (§ 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StPO) und ein solcher Vortrag nach den Fallumständen nicht ausnahmsweise wegen Offensichtlichkeit des Zeitpunktes entbehrlich war, sowie den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts bestätigt, weil der Eingang des Revisionsbegründungsschriftsatzes bei der Gemeinsamen Annahmestelle Hamburger Gerichte wegen Adressierung an das unzuständige Hanseatische Oberlandesgericht die bei dem zuständigen Landgericht wahrzunehmende Frist nicht zu wahren vermochte und der Schriftsatz unter Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang erst nach Fristablauf bei dem Landgericht eingegangen war. Der Angeklagte hat am 18. März 2008 eine Anhörungsrüge "gem. § 33 a StPO" bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht angebracht mit der Begründung, der Senat habe unter Verletzung rechtlichen Gehörs ihn nicht zur Frage der Kenntniserlangung von dem verspäteten Eingang der Revisionsbegründung angehört und sich von Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichtweiterleitung eines fehladressierten Rechtsmittels im ordentlichen Geschäftsgang entfernt.
II.
Der Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs ist bereits unzulässig. Es fehlt am in § 356 a S. 3 StPO vorgeschriebenen Vortrag des Angeklagten dazu, wann er im Sinne des § 356 a S. 2 StPO Kenntnis von der behaupteten Verletzung rechtlichen Gehörs erlangt hat.
1. Die Anhörungsrüge ist nach § 356 a StPO statthaft, weil die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung geltend gemacht wird. Die für das Revisionsverfahren spezielle - befristete - Anhörungsrüge nach § 356 a StPO geht der - unbefristeten - allgemeinen Anhörungsrüge nach § 33 a StPO vor (vgl. OLG Nürnberg in NJW 2007, 1013; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 33 a Rdn. 1). Entgegen dem Antragsvorbringen gilt dieser Vorrang auch dann, wenn eine Revision im Beschlussverfahren nach § 346 StPO unter Versagung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisions(begründungs)frist verworfen worden ist.
a) Der Anwendungsbereich des § 356 a StPO ist betroffen, wenn im Revisionsverfahren (vgl. Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 33 a Rdn. 28; Meyer-Goßner, a.a.O., § 33 a Rdn. 1) das Revisionsgericht (vgl. Wohlers in SK-StPO, § 356 a Rdn. 3) entschieden hat. Ohne Bedeutung bleibt, ob die Revisionsentscheidung durch Urteil (§ 349 Abs. 5 StPO), originären Beschluss (§ 349 Abs. 1 oder 2 StPO) oder Beschluss nach Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts über einen Verwerfungsbeschluss des Tatgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO (hierzu vgl. OLG Jena in NJW 2008, 534) ergangen ist.
Wortlaut und -sinn ("bei einer Revisionsentscheidung") eröffnen die Anwendung des § 356 a StPO auf jedwede Entscheidung über eine Revision.
Eine solche Reichweite wird durch den Zweck der gegenüber § 33 a StPO spezielleren Regelung des § 356 a StPO bestätigt. Die Befristung des Rechtsbehelfs nach § 356 a S. 2 StPO dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden; die Rechtskraft von Revisionsentscheidungen soll durch Anträge des Angeklagten oder des Nebenklägers nicht unbefristet durchbrochen werden können (vgl. BGHR StPO § 356 a Frist 1; Regierungsentwurf eines Anhörungsrügengesetzes in BR-Drs. 663/04, S. 43). Das Interesse an Rechtssicherheit und -frieden ist unabhängig davon betroffen, ob das Revisionsverfahren durch Entscheidungen nach §§ 346 Abs. 2 oder 349 Abs. 1, 2 oder 5 StPO seinen rechtskräftigen Abschluss gefunden hat.
Demgemäß gehen auch die Gesetzesmaterialien von einer unterschiedslosen Anwendung des § 356 a StPO auf Revisionsentscheidungen durch Beschluss oder Urteil aus (vgl. Regierungsentwurf, a.a.O., S. 34, 42). Nach den Vorstellun...