Leitsatz (amtlich)
Ein Berufungsgericht ist angehalten, nach Umfang der zugelassenen Anklage (OLG Düsseldorf, NJW 1983, 767) und unabhängig von dem angefochtenen Urteil über alle Tat- und Rechtsfragen nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung neu zu entscheiden. Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich, insoweit eine Berufung im Sinne des § 318 StPO wirksam beschränkt worden ist, da mit der Teilrechtskraft die diesbezüglichen erstgerichtlichen Feststellungen bestandskräftig werden.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 07.06.2019) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer XX, vom 7. Juni 2019 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten am 3. September 2018 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.
Noch am Tage der Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils hat der Angeklagte durch seine damalige Verteidigerin "Rechtsmittel" gegen das Urteil eingelegt und dieses in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die am 6. September 2018 bei dem Amtsgericht eingegangene Berufung der Staatsanwaltschaft hat diese noch vor Beginn der Berufungshauptverhandlung ebenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Mit seinem Urteil vom 7. Juni 2019 hat das Landgericht Hamburg, Kleine Strafkammer XX, die Berufungen verworfen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit am Tage der Verkündung bei dem Landgericht eingegangen Schriftsatz seines Verteidigers Revision eingelegt. Die Revision hat der Verteidiger noch vor wirksamer Zustellung des landgerichtlichen Urteils an ihn mittels eines von ihm unterschriebenen, am 17. Juli 2019 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatzes mit der allgemeinen Sachrüge begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat darauf angetragen, das angegriffene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
II.
Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen gemäß §§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache - vorläufigen - Erfolg.
Die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zur Rechtsfolgenentscheidung, welche - nach wirksamer Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch - das Urteil allein noch betrifft, halten der durch die allgemeine Sachrüge veranlassten revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Strafausspruch ist fehlerhaft und hat keinen Bestand.
1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall bei widersprüchlicher oder unvollständiger Bewertung von Strafzumessungsfaktoren oder bei Lückenhaftigkeit der Strafzumessung oder wenn einzelnen Zumessungsgründen erkennbar zu hohes oder zu geringes Gewicht beigemessen worden ist, wenn Zumessungsgründe gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn die erkannte Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (zum Ganzen BGH, StV 2000, 553; BGH, Urteil vom 1. August 2018, Az.: 2 StR 42/18, BeckRS 2018, 18142; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017, Az.: 1 StR 226/17, juris; LK-Theune § 46 Rn. 341 m.w.N.; Fischer § 46 Rn. 147 ff. m.w.N.; siehe auch Urteil des Senats vom 20. Februar 2019, Az.: 2 Rev 98/18 sowie Senatsbeschlüsse vom 19. Februar 2019, Az.: 2 Rev 78/18 und vom 28. August 2019, Az.: 2 Rev 9/19).
2. Nach diesen Maßstäben liegen hier mehrere tragende Rechtsfehler in der Strafzumessung vor. Die den Ausführungen des Landgerichts zur Frage des Vorliegens eines minder schweren Falles im Sinne des § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB zugrunde liegenden Feststellungen erweisen sich als lückenhaft.
a) Ein Berufungsgericht ist angehalten, nach Umfang der zugelassenen Anklage (OLG Düsseldorf, NJW 1983, 767) und unabhängig von dem angefochtenen Urteil über alle Tat- und Rechtsfragen nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung neu zu entscheiden (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1979, 2415; auch BGH NJW 1967, 1972; Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 312, Rn. 1). Insofern hat es aufgrund eigener Beweiswürdigung eigene Feststellungen zu treffen (Senatsurteil vom 23. September 2019, Az.: 2 Rev 56/19; Senatsbeschluss vom 24. April 2019, Az.: 2 Rev 6/19; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, 83). Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich, insoweit eine Berufung im Sinne des § 318 StPO wirksam beschränkt worden ist, da mit der Teilrechtskraft die diesbezüglichen erstgerichtlichen Feststellungen bestandskräftig werden (vgl. Senatsurteil vom 23. ...