Leitsatz (amtlich)
Die Diagnose einer bislang nicht aktenkundigen langjährigen dissozial-narzisstischen Persönlichkeitsstörung begründet die Schwierigkeit des Vollstreckungsfalles im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO und gebietet die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Aussetzungsverfahren nach § 57 StGB.
Normenkette
StGB § 57; StPO § 140 Abs. 2, § 454
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 13.11.2017; Aktenzeichen 633 StVK 167/14) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 13.11.2017; Aktenzeichen 633 StVK 168/14) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 33, vom 13. November 2017 aufgehoben und die Sache an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zugehörigen notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 7. Mai 2010, rechtskräftig seit dem 17. März 2011, hat das Landgericht Hamburg den Beschwerdeführer unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen wegen Betrugs aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Oldenburg vom 19. Juni 2006 wegen Computerbetrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und zugleich entschieden, dass ein Strafzeitraum von zehn Monaten als vollstreckt gilt.
Mit Urteil vom 13. März 2012, rechtskräftig seit dem 19. September 2012, hat das Landgericht Oldenburg den Beschwerdeführer wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in weiteren drei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in zwei Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, ferner wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und zugleich entschieden, dass ein Zeitraum von einem Monat als bereits vollstreckt gilt. Weiter hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 10.000 € angeordnet.
Nach Untersuchungshaft vom 28. April bis zum 4. August 2009 wegen der dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 13. März 2012 zugrunde liegenden Vorwürfe, befindet sich der Verurteilte seit dem 21. Januar 2002 in Strafhaft, welche er seit dem 21. August 2015 in der Justizvollzugsanstalt Glasmoor verbüßt.
Seit dem 1. September 2017 hat der Verurteilte zwei Drittel der Strafen aus den Urteilen des Landgerichts Hamburg vom 7. Mai 2010 und des Landgerichts Oldenburg vom 13. März 2012 verbüßt. Das Strafende ist auf den 3. April 2021 notiert.
Nach Antrag des Verurteilten vom 21. März 2017 auf bedingte Entlassung zum Zweidritteltermin hat das Landgericht nach Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt Glasmoor vom 11. April 2017 und der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 28. April 2017 am 9. Juni 2017 ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben, welches am 4. September 2017 bei Gericht eingegangen ist, und nach weiteren Stellungnahmen des Verurteilten, der Staatsanwaltschaft Oldenburg und der Staatsanwaltschaft Hamburg den Verurteilten und die Sachverständige am 13. November 2017 mündlich angehört.
Mit Beschluss vom selben Tag hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 33 (Strafvollstreckungskammer), den Antrag des Verurteilten, die Vollstreckung der Reststrafen aus den vorgenannten Urteilen gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen, abgelehnt.
Gegen den ihm am 16. November 2017 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit am 22. November 2017 eingehendem Schreiben sofortige Beschwerde eingelegt, auf deren Verwerfung die Generalstaatsanwaltschaft angetragen hat.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässig sofortige Beschwerde (§§ 454 Abs. 3 Satz 1, 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) hat in der Sache - vorläufigen - Erfolg, da die angefochtene Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist und der Senat auf der Grundlage der bisherigen Sachaufklärung keine Entscheidung (§ 309 Abs. 2 StPO) darüber treffen kann, ob der Strafvollzug fortzudauern hat. Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben, weil das zugrunde liegende Verfahren an dem in der Beschwerdeinstanz nicht heilbaren Mangel leidet, dass das bisherige Aussetzungsprüfverfahren ohne einen Verteidiger stattgefunden haben, obwohl ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt.
1. Im Vollstreckungsverfahren findet - soweit es an spezialgesetzlichen Regelungen wie in § 463 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 8 und Abs. 8 Satz 1 StPO fehlt - die Vorschrift über die notwendige Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO entsprechende Anwendung, wenn die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage des Vollstreckungsfalles oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, die Mitwirkung eines Verteidigers gebieten...