Leitsatz (amtlich)
1. Es liegt mit der Entscheidung über die Bestimmung der Schulwahl im Wege der einstweiligen Anordnung eine anfechtbare Entscheidung über die elterliche Sorge gemäß §§ 57 S. 2 Nr. 1, 151 Nr. 1 FamFG, 1628 BGB vor.
2. Die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis über die durch das Kind zu besuchende weiterführende Schule stellt einen punktuell-sachbezogenen Konflikt im Sinne des § 1628 BGB dar. Diese Entscheidung ist auch wenn sie weitreichende Auswirkungen hinsichtlich des zukünftigen Aufenthaltsorts und des von den Eltern gewählten Betreuungsmodells hat, etwa wenn die alternativen Schulen in verschiedenen Orten liegen, in einem isolierten Verfahren des § 1628 BGB zu treffen. Bei der Entscheidung sind sämtliche relevanten Kriterien zu prüfen und gegeneinander abzuwägen. Bei der Entscheidung über die Wahl der Schule ist insbesondere die Auswirkung der jeweiligen Schulwahl auf das soziale Umfeld des Kindes in die Erwägung mit einzubeziehen.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 22. März 2021 abgeändert und das Recht zur erstmaligen Anmeldung des gemeinsamen Sohnes N. auf die weiterführende Schule wird im Wege der einstweiligen Anordnung auf die Mutter übertragen.
II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Eltern zur Hälfte. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten begehren wechselseitig die Übertragung der Entscheidung über die Anmeldung des gemeinsamen Sohnes auf die weiterführende Schule.
Der 49-jährige Vater und die 46-jährige Mutter sind die Eltern des 9-jährigen N. und der 13-jährigen L. N. besucht aktuell die 4. Klasse der Grundschule. N. hat eine Gymnasialempfehlung erhalten. Seine besten Freunde in der Klasse sind E. und J. Mit J. verbringt er teilweise auch die Wochenenden an der Ostsee. Beide werden voraussichtlich auf das E-Gymnasium wechseln. In seiner Freizeit nimmt N. Trompetenunterricht. Sein Trompetenlehrer ging Ende 2020 in den Ruhestand. Der Nachfolger setzte den Unterricht bisher nur Online fort. Bereits vor der Corona-Pandemie hörte N. mit dem Fußball beim E-Verein auf. N. würde gerne wieder schwimmen gehen. Seine Schwester L. besucht die 7. Klasse der Stadtteilschule E. L. spielt Handball beim E-Verein. Früher ging sie Reiten. Ihre sozialen Kontakte sind in Hamburg-E.
Der Vater ist Inhaber und Geschäftsführer eines IT-Unternehmens, das in der Nähe seiner Wohnung geschäftsansässig ist. Er lebt mit seiner neuen Partnerin A. und deren 8-jährigen Tochter A. in einer ihm gehörenden circa 100qm großen 3 Zimmerwohnung in Hamburg-E. Seine Partnerin A. arbeitet in einem Krankenhaus. Seine Großeltern leben in B. in Schleswig-Holstein. Er hat ein Ferienhaus am Nord-Ostseekanal, an dem er teilweise die Wochenenden verbringt.
Die Mutter ist seit dem Jahr 2009 Gymnasiallehrerin am Gymnasium E. mit einem Deputat von 85%, das sie zum 1. August 2021 auf 75% reduziert. Mit ihrem neuen Partner C., der zuvor in W. gewohnt hat, bezog sie zum 1. März 2020 eine Doppelhaushälfte in Hamburg- R. Ihr Partner hat zwei Töchter, die vierzehntägig am Wochenende zu ihm kommen. Er arbeitet bei einem Medizintechnikunternehmen in Hamburg-H. Ihre Großeltern leben im Sauerland.
Die Eltern führten in der Zeit von 2003 bis 2015 eine Beziehung, aus der die beiden Kinder N. und L. hervorgegangen sind. Sie üben die gemeinsame Sorge aus. Im Jahr 2010 erwarb der Vater die gemeinsam genutzte Eigentumswohnung. Die Mutter zog zum 1. August 2015 aus der gemeinsamen Wohnung aus und zog in die 150m entfernt liegende G-Straße ebenfalls im Stadtteil Hamburg-E. Zunächst fand der Umgang mit dem Vater vierzehntägig von freitags bis montags sowie einer weiteren Übernachtung statt. Auf Wunsch der Kinder und bei beruflichen und privaten Terminen passten die Eltern die Betreuung an. Der Vater hat behauptet, dass im Jahr 2017 die Umgänge in den Wochen ohne Wochenendumgang von mittwochs bis freitags ausgeweitet wurden.
Ende des Jahres 2018 machte die Mutter gegen den Vater wegen unregelmäßiger Zahlungen Ansprüche auf Zahlung von Unterhalt geltend. Im Frühjahr 2019 bat der Vater die Mutter anwaltlich zur Zustimmung zum Wechselmodell. Eine Mediation der Eltern scheiterte in der dritten Sitzung. Im Januar 2020 unterbreitete der Vater der Mutter einen schriftlichen Vorschlag zur Betreuung der Kinder im Wechselmodell. Die Mutter zog zum 1. März 2020 in den gut 17km vom Wohnort des Vaters entfernt liegenden Stadtteil Hamburg-R. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie zu den Frühjahrsferien 2020 betreuen die Eltern die Kinder im paritätischen Wechselmodell. Die Kinder halten sich in den ungeraden Kalenderwochen beim Vater und in den geraden Kalenderwochen bei der Mutter auf. Sie wechseln jeweils sonntags abends. Die Mutter ist mit der Fortführung des Wechselmodells nicht einverstanden. Sie strebt eine Rückkehr zur Betreuung vor der Corona-Pandemie an und machte im ...