Leitsatz (amtlich)

Eröffnet das LG nach bei ihm erhobener Anklage das Hauptverfahren abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft bei einem AG, so ist eine allein die örtliche Zuständigkeit dieses AG angreifende sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft jedenfalls dann unzulässig, wenn die vom LG getroffene Bestimmung des Gerichtsstandes nicht willkürlich ist.

 

Normenkette

StPO §§ 16, 209 Abs. 1, § 210 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 624 KLs 7/02, AG Hamburg, 6103 Js 85/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den Beschluss des LG Hamburg, Große Strafkammer 24, vom 26.8.2002 wird verworfen.

 

Gründe

I. Mit zum LG Hamburg, Große Strafkammer, unter dem 22.3.2002 erhobener Anklage hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, am 24.1.2002 in Hamburg, …-Straße, tateinheitlich vorsätzlich unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Mengen Handel getrieben (Verkauf von 21,2 g Marihuana; Vorrätighalten von 792,71 g Marihuana und Haschisch, weiterer 2,49 g Marihuana und 4,98 g Haschisch, 24,36 g Kokaingemenge, 350,61 g Tabletten bzw. Substanz MDMA, 894,07 g Amphetamingemenge) und dabei Schusswaffen (zwei sogenannte Schießkugelschreiber) mit sich geführt sowie tateinheitlich letztere unerlaubt geführt und die tatsächliche Gewalt über sie ausgeübt zu haben (Verbrechen und Vergehen nach §§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG; 53 Abs. 3 Nr. 1b, Nr. 3 WaffG; 52 StGB). Mit Beschluss vom 26.8.2002 hat das LG Hamburg die Anklage mit der Abweichung, dass der Angeklagte nur des vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit den 21,2 g Marihuana sowie des unerlaubten Besitzes an den 2,49 g Marihuana und 4,98 g Haschisch hinreichend verdächtig sei, zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem AG Hamburg, Strafrichter, eröffnet.

Gegen den ihr am 28.8.2002 zugestellten Beschluss hat die Staatsanwaltschaft am 2.9.2002 sofortige Beschwerde eingelegt, „soweit das Hauptverfahren örtlich vor dem AG Hamburg eröffnet wurde”, denn für den Tatort …-Straße sei das AG Hamburg-Harburg zuständig. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses das Hauptverfahren vor dem Strafrichter des AG Hamburg-Harburg zu eröffnen.

II. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist unzulässig, weil sie sich ausschließlich gegen die im Eröffnungsbeschluss getroffene Bestimmung des Gerichtsstandes richtet und diese einer isolierten Anfechtbarkeit entzogen ist.

1. Gemäß § 210 Abs. 2 StPO steht der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens die sofortige Beschwerde – nur – zu, wenn das Gericht die Eröffnung abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen hat.

Vorliegend fehlt es an einer Ablehnung der Eröffnung (zur Abgrenzung zwischen einer der sofortigen Beschwerde zugänglichen Teilablehnung der Eröffnung und einer unanfechtbaren abweichenden Würdigung i.S.d. § 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO bei Verneinung des hinreichenden Tatverdachts bezüglich einzelner Tatteile vgl. BGH v. 5.1.1989 – 1 StE 5/88 - StB 45/88, MDR 1989, 370 = NStZ 1989, 190; OLG Hamburg, Beschl. v. 7.5.2001 – 2 Ws 105/01, 2 Ws 106/01, u.v.; Tolksdorf in KK-StPO, 4. Aufl., § 204 Rz. 6, § 207 Rz. 6). Hingegen hat das LG das Hauptverfahren vor dem AG als einem Gericht niederer Ordnung i.S.d. § 210 Abs. 2 2. Alt. StPO eröffnet.

2. Aufgrund ausdrücklicher Rechtsmittelerklärung der Staatsanwaltschaft (sofortige Beschwerde, „soweit örtlich vor dem AG Hamburg eröffnet”; Hervorhebung durch Beschwerdeführerin) i.V.m. der alleinigen Rechtsmittelbegründung, wonach „örtlich zuständig … unter dem Gesichtspunkt des Tatorts … das AG Hamburg-Harburg” sei, steht indes fest, dass sich der Angriffswille der Beschwerdeführerin ausschließlich gegen die Bestimmung des Gerichtsstandes, nicht aber gegen die sachliche Zuständigkeit eines AG richtet. Das führt hier zur Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde.

a) Mit der sofortigen Beschwerde können auch dann, wenn sie an sich gem. § 210 Abs. 2 StPO statthaft ist, nur eng umgrenzte prozessuale Ziele verfolgt werden.

aa) § 210 Abs. 2 StPO ist als Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegen (vgl. allgemein Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., Einl. Rz. 199 m.w.N.). Die positive Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 207 StPO ist unanfechtbar (§ 210 Abs. 1 StPO). Für die spiegelbildlich negative Entscheidung stellt § 210 Abs. 2 StPO der Staatsanwaltschaft eine Anfechtungsmöglichkeit im Wesentlichen deshalb zur Verfügung, weil die Entscheidung wegen der Rechtskraftwirkung des § 211 StPO endgültig wäre, während die positive Eröffnung nur eine vorläufige Bewertung darstellt, die der Überprüfung in der Hauptverhandlung und im an diese anschließenden Rechtsmittelzug unterliegt (vgl. Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 210 Rz. 1). Der Grundsatz der Rechtsmittelsymmetrie, wie er in § 296 StPO Ausdruck findet (vgl. Rieß in Anm. zu BayObLG OLGSt ...

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