Leitsatz (amtlich)
1. Beurteilt sich die Wirksamkeit der Eheschließung nach ausländischem Recht, kommt es auch für die Frage der Wirksamkeit der Scheidung einer Vorehe auf das ausländische Recht an.
2. Art. 13 EGBGB steht insofern allerdings im Spannungsverhältnis zu § 107 FamFG, nachdem die Auslandsscheidung nur dann im Inland Wirkung entfaltet, wenn sie von der Landesjustizverwaltung anerkannt wurde.
3. Deutsche Behörden und Gerichte haben eine Auslandsscheidung trotz Art. 13 EGBGB daher als nicht wirksam anzusehen.
4. Die Fehlerfolgen eines solchen Auseinanderfallens der Wirksamkeit einer Auslandsscheidung gehen aber nicht weiter als wie sie das deutsche Recht für den Fall der Unwirksamkeit der Scheidung der Vorehe vorsieht.
5. Die Folgeehe auf eine im Iran nach iranischem Recht wirksam geschiedene Vorehe ist daher nach deutschem Recht nur aufhebbar und nicht nichtig, wenn die Scheidung der Vorehe wegen § 107 FamFG im Inland als nicht erfolgt gilt, selbst wenn das iranische Recht bei einer (aus Sicht des iranischen Rechts nicht vorliegenden) Unwirksamkeit der Scheidung der Vorehe von einer Nichtehe ausgehen würde.
6. Die aus einer solchen Folgeehe hervorgehenden Kinder gelten als Kinder des neuen Ehemannes und nicht des Ehemannes der Vorehe.
Normenkette
PolDVG HA § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Hamburg (Beschluss vom 03.06.2020; Aktenzeichen 60 III 108/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerden der Standesamtsaufsicht und des Standesamtes gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 3.6.2020 werden zurückgewiesen.
2. Kosten und Auslagen werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Standesamt begehrt die Berichtigung der Geburtseinträge der Beteiligten zu 3.) und 4.) dahingehend, dass nicht der Beteiligte zu 6.), sondern der Beteiligte zu 5.) als Vater der Beteiligten eingetragen wird.
Die Beteiligte zu 7.) ist Mutter der Beteiligten zu 3.) und 4.). Sie heiratete am 22.2.1996 im Iran den Beteiligten zu 5.). Zum Zeitpunkt der Heirat waren beide Beteiligte iranische Staatsbürger. Der Beteiligte zu 5.) hat seit 1987 und die Beteiligte zu 7.) hat seit 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland. Aus dieser Ehe ist das am 22.7.2000 geborene Kind F. hervorgegangen. Am 4.4.2002 erwarben die Beteiligten zu 5.) und 7.) auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Ehe der Beteiligten zu 5.) und 7.) wurde am 14.3.2006 durch eine behördlich registrierte Privatscheidung im Iran geschieden und die Scheidung beim Scheidungsnotariat in Teheran beurkundet. Eine Anerkennung dieser Scheidung gem. § 107 FamFG im Inland erfolgte nicht, sondern wurde vielmehr durch Bescheid vom 1.10.2012 der Landesjustizverwaltung abgelehnt. Der hiergegen von dem Beteiligten zu 5.) gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb erfolglos (Beschluss des Senats vom 17.12.2012, 2 VA 2/12).
Am 1.5.2009 schloss die Beteiligte zu 7.) im Iran die Ehe mit dem Beteiligten zu 6.), der iranischer Staatsbürger ist und seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort ebenfalls in Deutschland hat.
Der Beteiligte zu 3.) wurde am 7.8.2013 geboren, die Beteiligte zu 4.) am 10.6.2010. Als Vater beider Kinder wurde der Beteiligte zu 6.) im deutschen Geburtsregister eingetragen. Die Kinder haben ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland.
Am 17.7.2014 wurde die Ehe der Beteiligten zu 7.) mit dem Beteiligen zu 5.) durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 17.7.2014, rechtskräftig seit dem 30.8.2014, geschieden (Az. 884 F 5/13).
Das Standesamt beantragt mit seinem am 20.5.2016 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag, das Geburtsregister hinsichtlich der Beteiligten zu 3.) und 4.) dahingehend zu berichtigen, dass nicht der Beteiligte zu 6.), sondern der Beteiligte zu 5.) als Vater der Kinder in das Geburtsregister eingetragen wird. Da die im Iran durchgeführte Scheidung der Ehe der Beteiligten zu 7.) und 5.) im Inland nicht anerkannt wurde, sei diese als fortbestehend zu behandeln. Die spätere Eheschließung im Iran sei vor diesem Hintergrund zwar nach dem gem. Art. 11 EGBGB maßgeblichen iranischen Ortsrecht formell wirksam, gleichwohl liege eine Nichtehe vor, weil es gem. Art. 13 Abs. 1 EGBGB aufgrund der iranischen Staatsbürgerschaft des Beteiligten zu 6.) (auch) zur Anwendung des iranischen Eheschließungsrecht komme. Die Heirat einer bereits verheirateten Frau führe nach iranischem Recht zur Nichtigkeit der weiteren Ehe. Zwar sehe das aufgrund der doppelten Staatsangehörigkeit der Beteiligten zu 7.) ebenfalls zur Anwendung gelangende deutsche Eheschließungsrecht im Falle der Doppelheirat nur eine Aufhebbarkeit, aber keine Nichtigkeit der Ehe vor. Würden die aufgrund verschiedener Staatsangehörigkeiten im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 EGBGB zur Anwendung kommenden Rechtsordnungen aber zu abweichenden Rechtsfolgen bei einem Verstoß...