Orientierungssatz
Orientierungssätze:
Die Entscheidung betrifft die Anforderungen an eine besondere Ladungsvollmacht gemäß § 145a Abs. 2 StPO:
Nach § 145a Abs. 2 Satz 1 StPO darf eine Ladung an den Verteidiger nur zugestellt werden, wenn er in einer bei den Akten - vom Beschuldigten unterschriebenen - befindlichen Vollmacht ausdrücklich und eindeutig zur Empfangnahme von Ladungen ermächtigt ist.
Wird der bisherige Wahlverteidiger, der nach § 145a Abs. 2 StPO besonders ermächtigt ist, zum Pflichtverteidiger bestellt, ist eine erneute Bevollmächtigung erforderlich, da der Wahlverteidiger durch einen Antrag auf Bestellung als Pflichtverteidiger konkludent sein Mandat niederlegt, wodurch das zivilrechtlich begründete Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Beschuldigten und damit auch die im Rahmen des Wahlverteidigermandats erteilte - rechtsgeschäftliche - Zustellungsvollmacht, erlischt.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 27.05.2021; Aktenzeichen 704 Ns 140/16) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 27.05.2021; Aktenzeichen 704 Ns 87/17) |
Tenor
Auf die Beschwerden des Angeklagten werden die Haftbefehle des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 4, vom 27. Mai 2021 mit den Aktenzeichen 704 Ns 140/16 und 704 Ns 87/17 aufgehoben.
Die Kosten der Beschwerdeverfahren und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten am 26. Mai 2015 (Az.: 249 Ds 12/15) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht durch Urteil vom 13. November 2015 verworfen. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das Urteil des Landgerichts am 13. November 2015 (Az.: 2 Ws 32/16) zum Teil aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen (Az.: 707 Ns 21/17 später dann Az.: 704 Ns 140/16).
Ferner hat das Amtsgericht Hamburg (Az.: 256 Ds 44/16) den Angeklagten am 13. Dezember 2016 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte durch seinen beigeordneten Verteidiger Berufung eingelegt. Die Kleine Strafkammer 4 hat das Verfahren, welches zunächst bei der Kleinen Strafkammer 7 unter dem Aktenzeichen 707 Ns 21/17 anhängig war, übernommen (Az.: 704 Ns 87/17) und sodann durch Beschluss vom 6. September 2017 zum Verfahren 704 Ns 140/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, wobei das Verfahren 704 Ns 140/16 führte.
Als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 27. Januar 2021 findet sich eine Erklärung des Angeklagten, wonach er seinem Verteidiger Vertretungsvollmacht im Sinn von § 329 StPO erteilt.
Zu dem auf den 7. Mai 2021 anberaumten Hauptverhandlungstermin ist nur der Verteidiger, nicht aber der Angeklagte, dessen Ladung an den Verteidiger zugestellt worden ist, erschienen. Daraufhin hat die Vorsitzende die Hauptverhandlung unterbrochen, einen Fortsetzungstermin auf den 25. Mai 2021 anberaumt und die anwesenden Prozessbeteiligten vor dem Protokoll geladen. Mit Beschluss vom 12. Mai 2021 hat sie das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet und verfügt, den Angeklagten über seinen Verteidiger unter Beifügung des Beschlusses vom 12. Mai 2021 zu laden. Tatsächlich erfolgte die Zustellung an eine nicht mehr aktuelle Adresse des Angeklagten, wo die Ladung nicht zugestellt werden konnte. Am 25. Mai 2021 hat die Vorsitzende daher einen Fortsetzungstermin auf den 27. Mai 2021 anberaumt und die Prozessbeteiligten erneut vor dem Protokoll geladen und die sich wohl im Rücklauf befindliche Ladung für den 25. Mai 2021 nebst Beschluss vom 12. Mai 2021 dem Verteidiger mit dem Hinweis überreicht, dass die Ladung für den neuen, auf den 27. Mai 2021 anberaumten, Termin gelte.
Da der Angeklagte auch zum Hauptverhandlungstermin am 27. Mai 2021 nicht erschienen war, hat die Vorsitzende in dem Verfahren 704 Ns 140/16 (zurückverwiesenes Verfahren) einen Haftbefehl nach § 329 Abs. 3 StPO erlassen und verkündet und dann die Verfahren getrennt. Sodann hat es in dem abgetrennten Verfahren mit dem Aktenzeichen 704 Ns 87/17 die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2016 nach § 329 Abs. 4 StPO verworfen und einen Haftbefehl (Berufung der Staatsanwaltschaft) nach § 329 Abs. 3 StPO erlassen und verkündet. Gegen das Verwerfungsurteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger am 3. Juni 2021 Revision eingelegt.
Mit zwei am 11. Juni 2021 bei dem Landgericht eingegangenen und auf den selben Tag datierten Verteidigerschriftsätzen hat der Angeklagte jeweils Beschwerde gegen die Haftbefehle vom 27. Mai 2021 eingelegt und jeweils beantragt, den Haftbefehl aufzuheben. Mit Beschluss vom 14. J...