Leitsatz (amtlich)
1.
§ 489 Abs. 2 S. 1 StPO als Ausprägung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung kann - nachprüfbar nach §§ 23 ff. EGGVG - das subjektive Recht auf Löschung personenbezogener Daten im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister begrünen.
2.
Die Speicherung darf Daten nur erfassen, soweit dies zur Erfüllung ihres gesetzlichen Zwecks geeignet und - insbesondere nach Datenumfang und Zeitaspekt - erforderlich ist.
3.
Soweit die Staatsanwaltschaft bei Führung ihres Registers von dem durch die bundeseinheitlichen Aufbewahrungsbestimmungen (AufbewBest.) aufgestellten Fristnahmen ausgeht und in den AufbewBest. auf die Bewährungsfrist abgehoben wird, sind sämtliche Voraussetzungen der §§ 78 ff. StGB im Einzelfall zu berücksichtigen.
4.
Die Einzelfallbearbeitung nach § 489 Abs. 2 S. 1 StPO erfordert mit dem Ergebnis u.U. gegenüber den AufbewBest. auch verkürzter Löschungsfrist - jedenfalls auf Antrag des Betroffenen eine weitergehende Prüfung des konkreten Einzelfalls insbesondere im Hinblick auf Tatvorwurf und Rechtsbeeinträchtigung des Betroffenen. Von Bedeutung kann sein, ob nach Person und Lebensumfeld des Betroffenen ausgeschlossen erscheint, dass dieser erneut strafrechtlich in Erscheinung treten wird.
5.
Eine Überliegefrist als Sicherheitszuschlag bedarf der Begründung.
6.
Bei Speicherung zur Vorgangsverwaltung ist nicht ohne weiteres ersichtlich, warum nach Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO der vormals erhobene Vorwurf einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in das Verfahrensregister aufgenommen werden muss.
Tenor
1.
Auf den Antrag des Antragstellers wird der Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 28. Februar 2008 in der Fassung vom 17. Juni 2008, soweit er die Ablehnung der Verkürzung der Aktenaufbewahrungsfrist für das Verfahren 7204 Js 31/07 auf fünf Jahre enthält, aufgehoben.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg wird insoweit verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts neu zu bescheiden.
2.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr wird nach einem Geschäftswert von Euro 1.500,-- erhoben.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind nach einem Geschäftswert von Euro 3.000,-- zur Hälfte aus der Staatskasse zu erstatten.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat mit Bescheid vom 9. Juli 2007 das gegen den Antragsteller als Beschuldigten geführte Ermittlungsverfahren 7204 Js 31/07 mangels Beweises nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dem Antragsteller war zur Last gelegt worden, sexuelle Handlungen vor einem Kind vorgenommen zu haben, indem er seiner Tochter E L H., geboren ..., pornographische Ausdrucke aus dem Internet zugänglich machte, die die Kindesmutter J. K., Inhaberin einer "Escort-Agentur", unter http://www.sex-party-hamburg.de ins Netz gestellt hatte und die sie beim Geschlechts- und Oralverkehr zeigten ( § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB). Der Tatverdacht war in den Ermittlungen nicht erhärtet worden; insbesondere war die Kindesmutter J. K. von ihrer gegen den Antragsteller aufgebrachten Verdächtigung später wieder abgerückt.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat in ihrem Verfahrensregister ("MESTA") aus Anlass des gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahrens folgende Daten über diesen gespeichert:
Aktenzeichen |
Eing. Datum |
Delikt |
Tatzeit: |
Erledigung/Entscheidung |
Erled. Datum |
7204 Js 31/07 |
08.03.2007 |
176 4 1 StGB |
01.02.2007 |
Einst. - § 170 II StPO |
09.07.2007 |
Als Aufbewahrungsfrist wurde in den Akten "zehn Jahre" notiert.
Den Antrag des Antragstellers,
die gespeicherten Daten gemäß § 489 Abs. 2 StPO zu löschen und die Aufbewahrungsfrist von zehn auf fünf Jahre zu verkürzen,
lehnte die Staatsanwaltschaft mit Bescheiden vom 25. Februar 2008 und 28. Februar 2008 ab.
In dem Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg - Leitender Oberstaatsanwalt - vom 25. Februar 2008 wurde ausgeführt: Die Staatsanwaltschaft sei gemäß § 485 StPO berechtigt, personenbezogene Daten zum Zwecke der Vorgangsverwaltung zu speichern. Nach § 489 Abs. 2 Nr. 3 StPO seien personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich sei. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft sei auf Grund der auf den Verjährungsfristen basierenden Aufbewahrungsbestimmungen für Akten (Allgemeine Verfügung der Justizbehörde Nr. 16/2004 vom 1. September 2004, HmbJVbl. 2004, S. 59) verpflichtet, auch im Falle der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens die entsprechenden Akten mindestens fünf Jahre aufzubewahren, da die Akten bis zum Ablauf der Verjährungsfristen für die Verfolgung von Straftaten auffindbar und verfügbar sein müssten. Der Sinn der Verfahrensdatei bestehe u.a. darin, die bei der Staatsanwaltschaft bearbeiteten Verfahren jederzeit wieder aufzufinden, wobei der Name des Beschuldigten Kriterium für das Wiederauffinden eines Verfahrens sei. Bei der Löschung des Datensatzes würde das Auffinden des Verfahrens im Rahmen der Vorgangsverwal...