Leitsatz (amtlich)

1. In dem Beschluss über eine Haftbeschwerde kann das Beschwerdegericht – entsprechend der für das Haftprüfungsverfahren in § 117 Abs. 3 StPO getroffenen Regelung – einzelne Ermittlungen zur Vorbereitung einer künftigen Entscheidung anordnen.

2. Die nach Abschluss der angeordneten ergänzenden Ermittlungen zu treffende künftige Entscheidung kann das Haftbeschwerdegericht dem gemäß § 126 Abs. 1, 2 StPO zuständigen Haftgericht zuweisen.

 

Normenkette

StPO § 117 Abs. 3, § 126 Abs. 1 u. 2, § 308 Abs. 2, § 309 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Angeschuldigten gegen den Beschluss des LG Hamburg, Große Strafkammer 2, vom 3.1.2002 – betreffend den Haftbefehl des AG Hamburg vom 14.10.2001 (Az.: 165 Gs 1766/01) – wird verworfen.

2. Es werden die körperliche Untersuchung der Angeschuldigten durch einen ärztlichen Sachverständigen und die Erstellung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zur Aufklärung folgender Fragen angeordnet:

a) Welches Sehvermögen aufgrund welcher Augenkrankheit hat die Angeschuldigte gegenwärtig?

b) Ist eine künftige Verschlechterung des Sehvermögens wahrscheinlich?

c) Bei Bejahung zu lit. b):

aa) Welche Entwicklung ist in welchem Zeitraum zu erwarten?

bb) Sind für eine Verschlechterung die spezifischen Verhältnisse der Untersuchungshaft ursächlich?

d) Kann die Augenkrankheit in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg bzw. im Vollzugskrankenhaus behandelt werden?

Untersuchung und Erstellung des Gutachtens erfolgen durch einen Facharzt für Augenheilkunde des Allgemeinen Krankenhauses, Augenklinik, 148, 22291 Hamburg.

Nach Eingang des Gutachtens hat das LG Hamburg den Bestand des Haftbefehls und dessen Vollzug erneut zu prüfen.

 

Gründe

I. Die am 13.10.2001 festgenommene Angeschuldigte sitzt aufgrund Haftbefehls des AG Hamburg vom 14.10.2001 in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg ein. Gegenstand des Haftbefehls und der unter dem 17.12.2001 bei dem LG Hamburg erhobenen Anklage ist der Vorwurf, am 12.10.2001 gemeinschaftlich mit u.a. ihrem in Mittelamerika aufhältlichen Ehemann tateinheitlich vorsätzlich unerlaubt Betäubungsmittel in nicht geringer Menge eingeführt und mit ihnen Handel getrieben zu haben, indem sie zwecks gewinnbringenden Weiterverkaufs einen Koffer mit 26.338 Ectasy-Tabletten (3,74562 kg; MDMA-Base-Anteil 1,29369 kg) in Begleitung eines weiteren Mittäters aus den Niederlanden nach Deutschland verbrachte und in Hamburg einem Dritten übergab, der das Betäubungsmittel auf dem Luftwege nach New York transportieren sollte (Verbrechen nach §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4, 25 Abs. 2, 52 StGB). Der Haftbefehl gegen die taubstumme und berufslose Angeschuldigte, eine deutsche Staatsangehörige, ist auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt. Eine frühere weitere Haftbeschwerde der Angeschuldigten hat der Senat mit Beschluss vom 3.12.2001 (Az.: 2 Ws 253/01) als unbegründet verworfen. Nach Anklageerhebung hat die Angeschuldigte bei dem LG erfolglos Haftverschonung beantragt. Mit ihrer erneuten Haftbeschwerde wendet sie sich gegen die Annahme des dringenden Tatverdachts und gegen das Vorliegen eines Haftgrundes. Im Übrigen macht sie geltend, weniger einschneidende Maßnahmen als der Vollzug der Untersuchungshaft seien ausreichend; aufgrund einer Verschlechterung ihres Sehvermögens sei der weitere Vollzug unverhältnismäßig.

II. Die Beschwerde ist zulässig (§ 304 Abs. 1 StPO), aber unbegründet. Das LG hat zu Recht den Haftbefehl aufrechterhalten und den Antrag der Angeschuldigten auf Aussetzung des Vollzuges abgelehnt.

1. Es besteht weiterhin dringender Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 StPO) jedenfalls im Umfang der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 17.12.2001. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die fortbestehenden Gründe des Senatsbeschlusses vom 3.12.2001 Bezug genommen. Ergänzend gilt folgendes:

Soweit die Angeschuldigte einwendet, bislang sei offen, ob ihr die an dem Geheimfach des Koffers gesicherten daktyloskopischen Spuren zugeordnet werden könnten, kommt es hierauf nicht an. Für den Tatvorwurf der Einfuhr von und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge genügt es, dass die Angeschuldigte es zumindest für möglich gehalten hat, dass der von ihr transportierte Koffer Betäubungsmittel enthielt. Angesichts des hochwahrscheinlich arbeitsteiligen Vorgehens ist ein eigenhändiges Packen durch die Angeschuldigte nicht erforderlich, sofern sie nicht ohnehin Schutzhandschuhe getragen oder zunächst verursachte Spuren beseitigt haben sollte.

Ebenfalls keine Bedeutung kommt dem von der Verteidigung angeführten Umstand zu, dass in den anlässlich der Durchsuchung der Wohnung der Angeschuldigten am 14.11.2001 im Kühlschrank und im Wohnzimmerschrank sichergestellten zwei Salamiwürsten und drei Flaschen Rum keine Betäubungsmittel oder vergleichbare Verbindungen nachgewiesen werden konnten (Bl. 275, 336f d. A.). Diese Gegenstände sind von der angeklagten Tat nicht umfasst; das Fehlen einer weiteren Tat indiziert nicht die Gutgläubigkeit ...

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