Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren der nachträglichen Entscheidung über die vorbehaltene Aussetzung einer Jugendstrafe reicht in entsprechender Anwendung des § 57 Absatz 1 Satz 2 JGG eine schriftliche Anhörung vor dem zuständigen Gericht aus.

2. Im Fall des Ablaufs der Frist des § 61 a Absatz 1 JGG n.F. vor dessen Inkrafttreten am 7. Oktober 2012 ist die materiell notwendige Entscheidung nachzuholen.

3. Der nachträglichen Entscheidung über die Aussetzung einer Jugendstrafe ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt dieser Entscheidung zugrunde zu legen.

 

Normenkette

JGG §§ 21, 57 Abs. 1 S. 2, §§ 61, 61a

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-St. Georg (Entscheidung vom 20.10.2011)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer ..., vom 14. Dezember 2012 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg, Jugendschöffengericht, hat den am 8. März 1991 geborenen Beschwerdeführer mit Urteil vom 20. Oktober 2011 wegen Diebstahls in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, sowie wegen Sachbeschädigung in sieben Fällen, Beleidigung, Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen, ihm auferlegt, fünfzehn Arbeitsleistungen à 6 Stunden zu erbringen, sowie einen Jugendarrest von drei Wochen ausgeurteilt, der im Hinblick auf die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft nicht mehr zu vollstrecken sei - Tatdaten zwischen dem 14. April 2011 und 15. September 2011 -.

Der Verurteilte hatte nach den Feststellungen drei Kraftfahrzeuge aufgebrochen und aus diesen jeweils Gegenstände entwendet (einen USB-Stick, ein Schlüsselbund, ein Navigationsgerät, ein Playstation-Spiel) und im ersten Fall das Fahrzeug nach Kurzschließen der Zündung auch geführt; weiterhin hatte er eine Haustür eingetreten, fünf Scheiben von Pkw's eingeschlagen, zwei Autospiegel abgebrochen sowie nochmals fahrerlaubnislos ein Fahrzeug, nämlich einen Motorroller, geführt, außerdem eine Geschädigte "Nutte" und "Schlampe" genannt sowie dieser Frau in das Gesicht geschlagen.

Auf Strafmaßberufung der Staatsanwaltschaft änderte die Große Strafkammer des Landgerichts Hamburg mit Urteil vom 14. Februar 2012, rechtskräftig seit diesem Tage, das amtsgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf die Verurteilung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr vier Monaten ab unter Einbeziehung der Urteile des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 9. Juni 2011 (Schuldigsprechung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unter Erteilung der Weisung, für sechs Monate mit der Jugendgerichtshilfe zusammen zu arbeiten) und 26. Januar 2012 (Schuldigsprechung wegen Diebstahls unter Aussetzung der Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe für ein Jahr). Diesen Verurteilungen lagen zugrunde die Vorrätighaltung von acht Gramm Marihuana-Tabakgemisch im Haftraum der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand zum Zwecke des Eigenkonsums am 30. November 2010 und ein Autoaufbruch unter Entwendung von Handy-Zubehör am 29. Oktober 2011.

Mit Beschluss vom 19. Oktober 2012 hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg die Vollstreckung der am 14. Februar 2012 vom Landgericht erkannten Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit auf zwei Jahre bestimmt sowie die Bewährung im Einzelnen näher ausgestaltet. Eine Begründung enthält die amtsgerichtliche Entscheidung nicht.

Am 25. Oktober 2012 hat die Staatsanwaltschaft gegen den amtsgerichtlichen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt unter Abstellen auf die Verletzung der Weisung, Kontakt zum Bewährungshelfer zu halten, und den neuen Tatverdacht des versuchten Diebstahls eines Motorrollers am 8. August 2012 und eines versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls am 13. Juli 2012 (Anklagen vom 14. August 2012 und 12. Oktober 2012).

Am 14. Dezember 2012 hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 4 als Beschwerdekammer (Az.: 604 Qs 67/12) auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft den amtsgerichtlichen Beschluss vom 19. Oktober 2012 aufgehoben unter Hinweis auf die seit dem 7. Oktober 2012 in Kraft getretene Neuregelung im Jugendgerichtsgesetz, wonach die Regelung der Zuständigkeit für die vorbehaltene Bewährungsentscheidung in § 61 a Abs. 2 JGG zur Unzuständigkeit des Amtsgerichts und zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Landgerichts führe.

Mit weiterem Beschluss vom 14. Dezember 2012 (Az.: 604 Ns 34/11) hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 4, unter Inanspruchnahme erstinstanzlicher Zuständigkeit die Vollstreckung (gemeint: Vollstreckbarkeit) der gegen den Verurteilten mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 4, vom 14. Februar 2012 verhängten Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten angeordnet. Gegen diesen am 2. Januar 2013 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte am 9. Januar 2013 durch seinen Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf Verwerfung der sofortigen Beschwerde angetragen.

II. Die sofortige Beschwerde ist na...

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