Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit eines nicht unverzüglich angebrachten Ablehnungsgesuchs

 

Leitsatz (amtlich)

Die seit dem 1. Januar 2020 geltende Regelung des § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO ist auch in laufenden Verfahren anzuwenden. Ein nicht unverzüglich angebrachtes Ablehnungsgesuch ist als unzulässig zu verwerfen.(Rn. 5)

 

Normenkette

ZPO § 44 Abs. 4 S. 2 Fassung: 2019-12-12, § 43

 

Nachgehend

OLG Hamburg (Beschluss vom 15.04.2020; Aktenzeichen 12 UF 27/19)

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 5. Februar 2020 gegen die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller lehnt die Vorsitzende wegen einer Besorgnis der Befangenheit ab.

Die Vorsitzende beraumte in sämtlichen beim Senat anhängigen Verfahren der Beteiligten einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Der Antragsteller beantragte vergeblich die Verlegung des Termins. Im Termin zur mündlichen Verhandlung überreichte er einen schriftsätzlich formulierten Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende. Mit Beschluss vom 26. November 2019 wies der Senat den Befangenheitsantrag als unbegründet zurück, verfügte die Zustellung des Beschlusses an die Beteiligtenvertreter und ließ das Verfahren der ordentlichen Vorsitzenden zur weiteren Veranlassung vorlegen. Der Beschluss vom 26. November 2019 wurde von der Geschäftsstelle am 5. Dezember 2019 versandt. Der Antragsgegnervertreter reichte sein Empfangsbekenntnis am 6. Dezember 2019 und der Antragsteller am 11. Dezember 2019 an das Gericht zurück.

Mit Beschluss vom 6. Dezember 2019 trennte die ordentliche Vorsitzende die verbundenen Verfahren. Am gleichen Tag versuchte sie telefonisch einen Termin zur mündlichen Verhandlung mit den Verfahrensbevollmächtigten abzustimmen und beraumte diesen für den 7. Februar 2020 an. Die Ladungen wurden dem Antragsteller am 11. Dezember 2019 zugestellt. Unter dem 5. Februar 2020 lehnte der Antragsteller die Vorsitzende wegen einer Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass sie gegen das Handlungsverbot des § 47 Abs. 1 ZPO verstoßen habe. Sie habe die verbundenen Verfahren getrennt und einen Termin anberaumt, obwohl der das Ablehnungsgesuch zurückweisende Beschluss noch nicht zugestellt gewesen sei. Dies stelle einen anerkannten Grund der Besorgnis der Befangenheit dar.

II. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 5. Februar 2020 ist unzulässig.

Gemäß § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO ist ein Ablehnungsgesuch unverzüglich anzubringen. Die seit dem 1. Januar 2020 geltende Regelung ist auch in laufenden Verfahren anzuwenden (vgl. Zöller/G. Vollkommer, 33. Auflage 2020, § 44 Rn. 11a; BT-Drs. 19/13828, S. 24). Ein Verstoß gegen die Vorschrift führt zur Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs (vgl. Zöller/G. Vollkommer, a.a.O., § 44 Rn. 11a; Schultzky, MDR 2020, 1, juris Rn. 9).

Der Antragsteller hat sein Ablehnungsgesuch nicht unverzüglich im Sinne der Vorschrift angebracht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Ablehnungsgesuche unverzüglich, das heißt ohne prozesswidriges Verzögern, nach Kenntniserlangung des Ablehnungsgrundes geltend gemacht werden. Weiter soll die Vorschrift die Regelung in § 43 ZPO, welche einen Verlust des Ablehnungsrechts bei einer rügelosen Einlassung vorsieht, ergänzen und verhindern, dass Ablehnungsanträge von einer Partei aus taktischen Gründen zur Verfahrensverzögerung erst dann gestellt werden, wenn sich im Verlauf des Verfahrens eine für sie ungünstige Verhandlungsposition ergibt (BR-Drs. 19/13828, S. 17). Eine Verzögerung von wenigen Tagen soll dabei noch kein prozesswidriges Verzögern darstellen (vgl. Schultzky, MDR 2020, 1, juris Rn. 9; MükoZPO/Becker-Eberhard, 5. Auflage 2016, § 271 Rn. 7).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Antragsteller sein Ablehnungsgesuch nicht rechtzeitig angebracht. Er hat das Verfahren prozesswidrig verzögert. Der Antragsteller hat nicht nur wenige Tage, sondern über den 1. Januar 2020 hinaus über einen Monat zugewartet und sein Ablehnungsgesuch erst am Abend des 5. Februar 2020 und damit kurz vor dem zum 7. Februar 2020 um 10.00 Uhr anberaumten Termin eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt musste er damit rechnen, dass sowohl die Vorsitzende als auch die Gegenseite den Termin vorbereitet hatten (vgl. § 132 ZPO), sein erneutes Ablehnungsgesuch zu einem Absetzen des Termins führt und die Verfahren durch eine Neuterminierung in die Länge gezogen werden. Gründe für sein Zuwarten hat der Antragsteller nicht vorgetragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14900565

FamRZ 2020, 1283

NJW-RR 2020, 698

ZAP 2020, 445

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