Verfahrensgang
AG Hamburg (Aktenzeichen 284 F 202/18) |
Tenor
I. In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Hamburg vom 18. Juni 2019 (Az. 284 F 202/18) soll im Wege des Freibeweises Beweis erhoben werden über die Behauptung der Antragstellerin, dass die Antragstellerin den Antragsgegner während der Ehezeit dazu aufgefordert hat, einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen, durch eine telefonische Anhörung der Zeugin B..
II. Der Wert des Verfahrens wird auf 3.330 EUR festgesetzt.
III. Die Kostenentscheidung folgt der ausstehenden Entscheidung im beim Senat anhängigen Hauptsacheverfahren (Az. 284 F 388/15 = 12 UF 117/19).
Gründe
Die eingelegte "Beschwerde" hat als gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde Erfolg. Ein selbständiges Beweisverfahren ist gemäß §§ 485ff ZPO in Familiensachen auch außerhalb der Familienstreitsachen statthaft (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 19. Auflage 2017, § 30 Rn. 121ff). Es handelt sich, anders als das Amtsgericht meint, vorliegend nicht um ein einstweiliges Anordnungsverfahren, da ein im Wege der einstweiligen Anordnung zu führendes selbständiges Beweisverfahren nicht im Gesetz vorgesehen ist. Deshalb ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 54 FamFG) nicht erforderlich und die Beschwerde beim Senat ist nicht gemäß § 57 FamFG unzulässig.
Die Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO liegen vor. Gemäß § 485 Abs. 1 ZPO kann während eines Streitverfahrens auf Antrag einer Partei die Vernehmung eines Zeugen angeordnet werden, wenn zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht. Gemäß § 487 ZPO muss der Antrag unter anderem die Bezeichnung des Gegners, die Bezeichnung der Tatsachen über die Beweis erhoben werden soll, die Benennung der Zeugen und die Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens begründen sollen, enthalten. Darüber hinaus erfordert der Antrag ein rechtliches Interesse. Es darf dabei aber, anders als das Amtsgericht meint, nicht auf die Schlüssigkeit eines etwaigen Klagebegehrens abgestellt werden. Das gilt selbst dann, wenn das Hauptsacheverfahren bereits läuft und das (Hauptsache-) Gericht die Klage für unbegründet oder die festzustellende Tatsache für unerheblich hält, es sei denn, das Verfahren befindet sich bereits in der letzten Instanz. Das selbständige Beweisverfahren nach § 485 Abs. 1 2. Alt ZPO ist aber dann unzulässig, wenn für jeden vernünftigen Betrachter evident ist, dass ein Anspruch des Antragstellers unter gar keinen Umständen bestehen kann (vgl. BGH, MDR 2005, 162, juris Rn. 5), sein Rechtsschutzbegehren also offensichtlich aussichtslos und die Beweiserhebung deshalb ohne jeden Zweifel nutzlos ist. In diesen sehr eng begrenzten Ausnahmefällen hätte auch ein etwaiger Beweisverlust keine nachteiligen Auswirkungen, weshalb das allgemeine Rechtsschutzinteresse in diesem Fall zu verneinen ist (vgl. BeckOKZPO/Kratz, Stand 1.7.2019, § 485 Rn. 27). Die genannten Voraussetzungen für die Durchführung einer Beweisaufnahme liegen vor. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 27. September 2018 und mit Versicherung an Eides statt vom 9. Oktober 2018 die Tatsachen bezeichnet, über die Beweis erhoben werden soll und hat glaubhaft gemacht, dass die von ihr als Zeugin benannte Schwester B. sehr schwer erkrankt ist. Im derzeitigen Verfahrensstand ist nicht evident, dass der von der Antragstellerin beantragte Ausschluss des Versorgungsausschlusses wegen grober Unbilligkeit unter gar keinen Umständen erfolgen kann und eine Anhörung der Zeugin ohne jeden Zweifel nutzlos ist.
Die Beweisaufnahme erfolgt gemäß §§ 29, 30 FamFG vorliegend im Wege des Freibeweises, da auch im Hauptstreitverfahren ein Freibeweis möglich ist. Die behaupteten Tatsachen sind bereits durch eine eidesstattliche Versicherung der benannten Zeugin belegt worden. Eine Vernehmung der Zeugin vor dem erkennenden Gericht schied aus, da die Zeugin, wie die Antragstellervertreterin mit Schriftsatz vom 24. September 2019 mitgeteilt hat, aktuell auf der circa 100km entfernt befindlichen Palliativstation des Sankt Elisabeth Krankenhauses in Eutin versorgt wird. Die Zeugin droht in Kürze zu versterben.
Der Wert des Verfahrens beträgt den Wert des Hauptsacheverfahrens (vgl. Musielak/Voit/Huber, Zivilprozessordnung, 16. Auflage 2019, § 490 Rn. 4; Musielak/Voit/Heinrich, a.a.O., § 3 Rn. 34) festgesetzt. Die Kostenentscheidung richtet sich nach der Kostenentscheidung des anhängigen Streitverfahrens (vgl. Musielak/Voit/Huber, a.a.O, § 490 Rn. 5).
Fundstellen
NJW 2020, 8 |
FamRZ 2020, 525 |
NJW-RR 2020, 193 |
FamRB 2020, 284 |
NJW-Spezial 2020, 70 |
NZFam 2020, 91 |