Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 19.02.2004; Aktenzeichen 609 Vollz 329/03) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers werden der Beschluss des Landgerichts Hamburg - Große Strafkammer 9 - vom 19.02.04 und der Widerspruchsbescheid der JVA Fuhlsbüttel, Haus II, vom 29.12..03 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates an die zuständige JVA zurückverwiesen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse (§ 121 StVollzG). Der Gegenstandswert wird auf 4.000,- Euro festgesetzt (§§ 13, 48 a GKG).
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beschwerdeführer - Strafvollzugsgefangener in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel - Haus II - einen Anspruch darauf hat, von dem Anstaltsleiter der JVA Fuhlsbüttel im Rahmen einer Sprechstunde nach § 108 Abs. 1 Satz 2 StPO persönlich mündlich angehört zu werden.
Bis zum 31.05.03 gab es in Fuhlsbüttel drei selbstständige Justivollzugsanstalten, die JVA Suhrenkamp, die JVA Am Hasenberge und die JVA Nesselstraße. Jede dieser Anstalten hatte einen Anstaltsleiter, der entsprechend § 108 Abs. 1 StVollzG Sprechstunden für die Gefangenen abhielt. Nach der Zusammenlegung dieser drei Anstalten zur Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel unter einem Anstaltsleiter wurde die neue JVA mit über 1.000 Haftplätzen in mehrere Vollzugseinheiten, nämlich die Häuser I, II und V, die den früheren eigenständigen Anstalten entsprechen, aufgeteilt.
Mit Verfügung Nr. 1/03 vom 07.07.03 ordnete der Anstaltsleiter der JVA Fuhlsbüttel an:
"Die in § 108 Abs. 1 StVollzG vorgesehene Sprechstunde wird in der JVA Fuhlsbüttel durch die Anstaltsleitungen der Häuser I, II und V in eigener Verantwortung wahrgenommen."
Entsprechend dieser Verfügung halten die Vollzugsleiter der einzelnen Häuser auf Antrag Sprechstunden ab.
Der Beschwerdeführer stellte am 14.07.03 einen Antrag auf eine persönliche Unterredung mit dem Anstaltsleiter der JVA Fuhlsbüttel, der unter Hinweis auf die vorstehende Verfügung mit dem Bemerken abgelehnt wurde, dass der Anstaltsleiter der JVA Fuhlsbüttel für ihn grundsätzlich nicht zu sprechen sei. Gegen diese Ablehnung legte der Beschwerdeführer am 21.07.03 Widerspruch ein, der am 29.12.03 abschlägig beschieden wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die einzelnen Häuser der Anstalt seien auch nach der Zusammenlegung eigenständige Teilanstalten geblieben, auf deren Vollzugsleiter die Sprechstundenpflicht nach § 108 Abs. 1 StVollzG übertragen werden dürfe.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Landgericht mit Beschluss vom 19.02.04 mit der Begründung abgelehnt, die Delegation der Sprechstunde auf die Leiter der einzelnen Häuser sei rechtlich nicht zu beanstanden.
II.
1.
Die gegen diesen Beschluss form- und fristgerecht erhobene Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Überprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts - Auslegung des § 108 Abs. 1 Satz 2 StVollzG, insbesondere Grenzen der Delegation der Pflicht zur persönlichen Anhörung - geboten ist, § 116 Abs. 1 StVollzG.
2.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Zurückweisung des Widerspruchs und der Klage waren rechtsfehlerhaft.
Nach § 108 Abs. 1 StVollzG erhält der Gefangene Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden. Zu diesem Zweck sind regelmäßige Sprechstunden einzurichten. § 108 Abs. 1 StVollzG begründet damit ein Recht jedes Gefangenen auf ein persönliches Gespräch mit dem Anstaltsleiter. Dieser darf sich dem Gespräch nicht verweigern, etwa dadurch, dass er diese Aufgabe an andere, etwa leitende Mitarbeiter, delegiert. Wie das Recht des Gefangenen im Einzelnen verwirklicht wird, unterliegt der Regelung durch die Vollzugsbehörde (ganz herrschende Meinung, vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 9. Aufl. 2002, Rdz 4 zu § 108 m.w.N.; Volckhart, AK-StVollzG 4. Aufl. 2000, Rdz. 5, 6 zu § 108; Schuler in: Schwind/Böhm, StVollzG, 3. Aufl. 1999, Rdz 3 zu § 108).
In Rechtsprechung und Literatur werden diejenigen Fälle differenziert beurteilt, in denen große Anstalten in Teilanstalten untergliedert sind, an deren Spitze jeweils ein eigener Behördenleiter steht. In diesen Fällen stehe dem Gesamtanstaltsleiter die Befugnis zu, die Anhörung des Gefangenen durch ihn auf Fälle zu beschränken, die für den Gefangenen besonders wichtig sind und im Übrigen den Gefangenen auf die Sprechstunden der Teilanstaltsleiter zu verweisen (vgl. KG, ZfStrVo 1987, 125). Möglich sei es auch, den Gefangenen vor der Anhörung durch den Gesamtanstaltsleiter auf ein Gespräch mit dem Teilanstaltsleiter zu verweisen. Das Vorgespräch dürfe aber nicht den Wunsch des Gefangenen, sofern er nicht wegen Missbrauchs zurückzuweisen ist, verhindern, den Gesamtanstaltsleiter persönlich zu sprechen (KG a.a.O. m.w.N.).
Diesen gesetzlichen Vorgaben wird die Anstaltsverfügung vom 07.07.03 nicht gerecht. Nach allen in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen ist e...