Leitsatz (amtlich)
Die strafschärfende Berücksichtigung der Begehungsvariante des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als besonders "verwerflich" oder "gefährlich" stellt jedenfalls dann eine nicht strafschärfend zu berücksichtigende und deshalb rechtsfehlerhafte "Leerformel" dar, wenn sich nach den weiteren Umständen des Einzelfalls das Handeltreiben gerade als weniger gewichtige Tatvariante darstellt.
In Fällen der Aufhebung einer Verteidigerbestellung ist zu berücksichtigen hat, dass mit der Bestellung eine ursprünglich vorliegende Wahlverteidigervollmacht erloschen ist, weshalb nach Aufhebung der Bestellung Zustellungen an den Verteidiger nach § 145a Abs. 1 StPO nur erfolgen können, wenn ein Wahlverteidiger neuerlich beauftragt wird und sich im Sinne der Vorschrift die entsprechende Vollmacht bei den Akten befindet.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 07.03.2019; Aktenzeichen 716 Ns 72/18) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 16, vom 7. März 2019 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 6. August 2018 wegen "vorsätzlichen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt und die Höhe eine Tagessatzes auf 8 EUR festgesetzt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten, deren Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch der Angeklagte nach Rücksprache mit seiner Verteidigerin und unter anschließender Zustimmung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in der Berufungshauptverhandlung vom 7. März 2019 erklärt hat, hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 7. März 2019 mit der Maßgabe verworfen, dass ein Tagessatz auf 4 EUR festgesetzt worden ist.
Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich der Angeklagte mit am 7. März 2019 eingelegter Revision, die er über seine Verteidigerin am 29. April 2019 mit der Sachrüge begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, gemäß § 354 Abs. 1a StPO wegen Angemessenheit der verhängten Geldstrafe von der Aufhebung des angefochtenen Urteils abzusehen und mit dieser Maßgabe die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Die zulässige, insbesondere statthafte, fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 333, 341, 344, 345 StPO) Revision des Angeklagten hat in der Sache - vorläufigen - Erfolg.
Die Ausführungen des angefochtenen Urteils zur Rechtsfolgenbestimmung - über die das Landgericht nach formell wie materiell wirksamer Beschränkung der von dem Angeklagten eingelegten Berufung (§ 318 StPO) allein zu entscheiden hatte - halten der auf die Sachrüge hin veranlassten revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht greift insoweit nur im Falle des Vorliegens von Rechtsfehlern ein, insbesondere bei widersprüchlicher oder unvollständiger Bewertung von Strafzumessungsfaktoren, bei Lückenhaftigkeit der Strafzumessung oder wenn einzelnen Zumessungsgründen erkennbar zu hohes oder zu geringes Gewicht beigemessen worden ist, Zumessungsgründe gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder die erkannte Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (zum Ganzen BGH, StV 2000, 553; BGH, Urt. v. 1. August 2018, Az.: 2 StR 42/18, BeckRS 2018, 18142; BGH, Beschl. v. 24. Oktober 2017, Az.: 1 StR 226/17 (juris); LK-Theune § 46 Rn. 341 m.w.N.; Fischer § 46 Rn. 147 ff. m.w.N.; vgl. auch Senat, Urt. v. 20. Februar 2019, Az.: 2 Rev 98/18; Senat, Beschl. v. 19. Februar 2019, Az.: 2 Rev 78/18).
2. Nach diesen Maßstäben liegen hier mehrere tragende Rechtsfehler in der konkreten Strafzumessung vor.
a) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht zunächst nicht zugunsten des Angeklagten gewürdigt, dass nach den Feststellungen der verurteilungsgegenständliche Verkauf von Marihuana durch den Angeklagten an einen verdeckt auftretenden Polizeibeamten erfolgte und daher Verkauf und Übergabe in einer Weise unter polizeilicher Überwachung durchgeführt worden sind, nach der eine tatsächlich von dem Betäubungsmittel ausgehende Gefährdung ausgeschlossen war, was regelmäßig neben dem Umstand der - vom Landgericht berücksichtigten - tatsächlichen Sicherstellung der Betäubungsmittel einen weiteren bestimmenden Strafzumessungsgrund darstellt (vgl. BGH Beschl. v. 8. Juni 2004, Az.: 5 StR 173/04; vgl. Körner/Patzak/Volkmer-Patzak, Betäubungsmittelgesetz § 29 BtMG Rn. 284).
b) Ebenfalls als rechtsfehlerhaft erweist sich die strafschärfend berücksichtigte Erwägung, der Angeklagte habe "mit dem Handeltreiben die gefährlichste Begehungsweise des § 19 Abs. 1 BtMG verwirklicht".
aa) Die strafschärfende Berücksichtigung der Begehungsvariante ...