Entscheidungsstichwort (Thema)
Familiensache des minderjährigen Kindes. Ergänzungspflegschaft bei Vaterschaftsanfechtung
Leitsatz (redaktionell)
Gegen die Entscheidung des Familiengerichts, bei der Anfechtung der Vaterschaft durch die Behörde eine Ergänzungspflegschaft einzurichten, ist für die Mutter die Beschwerde zulässig.
Bei der Anfechtung der Vaterschaft durch die Behörde nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB liegt kein Fall einer erheblichen Interessenkollision vor, so dass die Bestellung einer Pflegschaft für das Kind nicht zulässig ist.
Normenkette
BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 5, §§ 1629, 1795 Abs. 1 Nr. 3, §§ 1796, 1909; ZPO § 640e Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hamburg-Harburg (Beschluss vom 22.05.2009; Aktenzeichen 635 F 120/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des AG Hamburg-Harburg, Familiengericht, vom 22.5.2009 (Geschäftsnummer 635 F 120/09) aufgehoben.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert beträgt 3.000 EUR.
Gründe
I. Das Kind B. ist am 5.3.2008 geboren und besitzt aufgrund einer Anerkennung der Vaterschaft durch Herrn W. die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Mutter stammt aus Togo und hat infolge der mit ihrer Zustimmung erfolgten Anerkennung am 15.7.2008 eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erhalten.
B. und Herr W. sind Beklagte in dem beim Familiengericht anhängigen Rechtsstreit 635 F 120/09. Dort wird vom Einwohnerzentralamt der Freien und Hansestadt Hamburg die Vaterschaft des Herrn W. angefochten. Durch Beschluss vom 22.5.2009 hat das Familiengericht unter Einschränkung des Sorgerechts der Mutter eine Ergänzungspflegschaft eingerichtet mit dem Wirkungskreis "Vertretung des Kindes im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft" und das Jugendamt zum Pfleger bestellt. Gegen den am 28.5.2009 zugestellten Beschluss hat die Mutter am 12.6.2009 beim Familiengericht Beschwerde eingelegt. Das Familiengericht hat den Vorgang an das Hanseatische OLG weitergeleitet, wo die Beschwerde am 18.6.2009 eingegangen ist.
Die Mutter begehrt die Aufhebung des Beschlusses und macht geltend, sie sei nicht angehört worden, außerdem lägen in Ermangelung eines Interessengegensatzes die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft nicht vor.
Das Jugendamt hat sich dieser Auffassung angeschlossen, ebenso das Einwohnerzentralamt.
Zur Vorbereitung der Entscheidung sind die Mutter und der Vertreter des Jugendamtes durch die Einzelrichterin persönlich angehört worden. Auf die Sitzungsniederschrift vom 11.9.2009 wird insoweit Bezug genommen.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig und führt zur Aufhebung der Entscheidung des Familiengerichts.
Nach Art. 111 FGG-RG sind im vorliegenden Fall die bis zum 31.8.2009 geltenden Bestimmungen anzuwenden, weil das Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Gegen den angefochtenen Beschluss des Familiengerichts ist das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde gem. § 621e ZPO statthaft; denn die Anordnung der Ergänzungspflegschaft für das Kind B. stellt eine im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung über einen Teilbereich der elterlichen Sorge i.S.v. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar, welche gem. § 621e ZPO mit der befristeten Beschwerde anfechtbar ist (ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 2.10.2008, veröffentlicht bei Juris; OLG Düsseldorf, FamRZ 2007, 2091 ff. m.w.N.). Die Mutter ist durch die damit verbundene Einschränkung ihres Sorgerechts beschwert und somit beschwerdebefugt. Ihr Rechtsmittel ist - nach Weiterleitung durch das Familiengericht - mit Begründung fristgerecht beim Beschwerdegericht eingegangen (§§ 621e Abs. 3, 517, 520 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 ZPO).
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Senat ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft hier nicht vorliegen.
Gemäß § 1909 Abs. 1 BGB ist einem minderjährigen Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern gehindert sind.
2.1. Ein ausdrückliches gesetzliches Vertretungsverbot - wie in § 1629 Abs. 2a BGB bei der Einführung des § 1598a BGB vorgesehen - ist für das ebenfalls neu geschaffene Anfechtungsverfahren nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nicht normiert worden.
2.2. Nach § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB können der Vater und die Mutter das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1795 BGB ein Vormund von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Einer der dort genannten Fälle liegt hier nicht vor.
Allerdings hat der BGH im Urteil vom 27.3.2002 (XII ZR 203/99, veröffentlicht bei Juris und NJW 2002, 2109 ff.) entschieden, die sorgeberechtigte Mutter, welche die Ehelichkeit des Kindes anficht, könne das Kind nicht zugleich bei der gebotenen Beiladung gem. § 640e Abs. 1 ZPO vertreten. Der BGH hat darauf verwiesen, dass ein Vormund nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BGB in einem Rechtsstreit zwischen seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder seinem Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Mündel andererseits von der Vert...