Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Eine längerfristige Observation gemäß § 163 f Abs. 1 StPO liegt nicht nur dann vor, wenn diese von vornherein auf eine Überschreitung der in § 163 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 StPO genannten Fristen gerichtet ist, sondern auch, wenn sich während einer zunächst kurzfristig angelegten Beobachtung herausstellt, dass die Fristen des § 163 f Abs. 1 StPO überschritten werden müssen. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft gemäß § 163 f Abs. 3 StPO ist einzuholen, sobald sich die Notwendigkeit der Fristüberschreitung ergibt.

  • 2.

    Entsteht dagegen im Laufe eines Ermittlungsverfahrens in nicht vorhersehbarer Weise mehrfach die Notwendigkeit einer nur vorübergehenden und kurzfristigen Observation, so handelt es sich nicht um eine solche im Sinne des § 163 f StPO.

  • 3.

    Eine unter Verstoß gegen das staatsanwaltliche Anordnungserfordernis gemäß § 163 f Abs. 3 StPO durchgeführte Observation hat nicht stets die Unverwertbarkeit der aus der Observation gewonnenen Erkenntnisse zur Folge. Ein Beweisverwertungsverbot stellt die Ausnahme dar und ist nur anzunehmen, wenn nach Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall der Verfahrensverstoß so schwer wiegt, dass das Interesse an der Wahrheitserforschung zurückzutreten hat.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 08.01.2007; Aktenzeichen 707 Ns 85/06)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 7, vom 08.01.07 im Fall 2 des Urteils und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte wurde durch das angefochtene Urteil wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung zweier Einzelfreiheitsstrafen aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision.

II.

Sein mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründetes Rechtsmittel hat lediglich mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

1.

Die Beweiswürdigung des Urteils stützt sich im Wesentlichen auf Zeugenaussagen von Polizeibeamten, die ihre Wahrnehmungen anlässlich von Observationen des Angeklagten gemacht hatten. Der Revisionsführer macht die Unverwertbarkeit dieser Angaben geltend, weil die Observationen unter Verletzung des § 163 f Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StPO durchgeführt worden seien. Der zulässig erhobenen Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Anfang Mai 2005 erhielten Beamte des Polizeikommissariats durch den Hausmeister des Hauses Sch.-straße. 1 den Hinweis, dass die Wohnung des Angeklagten von ständig wechselnden Personen aufgesucht werde. Wegen des Verdachts des Betäubungsmittelhandels beobachteten am 08.05.05 Polizeibeamte des Polizeikommissariats in Zivil die über einen Laubengang erreichbare und damit von der Sch.-straße. aus gut einsehbare Wohnungstür des Angeklagten. Zwei Personen, die zuvor die Wohnung besucht hatten, wurden von den Polizeibeamten überprüft. Bei einer dieser Personen konnte ein Tütchen Marihuana sichergestellt werden. Bis Ende 2005 wurde der Eingang zur Wohnung des Angeklagten noch an 9 weiteren Tagen beobachtet, ohne dass eine staatsanwaltliche oder richterliche Anordnung bzw. Bestätigung eingeholt wurde. Die Observationen dauerten dabei regelmäßig 5 bis 30 Minuten, ausnahmsweise länger, einmal auch 2 Stunden. Die jeweiligen Polizeibeamten entschlossen sich jeweils spontan zur Observation, wenn es ihr Dienstplan im Rahmen des Streifendienstes, den sie zur Beobachtung der lokalen Drogenszene zu absolvieren hatten, zuließ. Beobachtungen, die zu keinen Erkenntnissen führten, wurden nicht dokumentiert, so dass lediglich die folgenden Beobachtungen zeitlich lokalisiert werden konnten:

Nach dem 08.05.05 und bis zum 01.08.05 wurde die Wohnungstür des Angeklagten noch an mindestens zwei weiteren Tagen beobachtet, ohne dass die Polizeibeamten weitere Feststellungen treffen konnten.

Am 01.08.05 (Fall 1 des Urteils) wurde die Wohnungstür des Angeklagten erneut von Polizeibeamten beobachtet, die dem Angeklagten folgten, als er die Wohnung verließ. Dabei beobachteten die Polizeibeamten, wie der Angeklagte die Person traf, bei der bereits am 08.05.05 Marihuana sichergestellt werden konnte. Die Beamten nahmen Austauschhandlungen zwischen beiden Personen wahr. Bei der anschließenden Überprüfung wurden beim Angeklagten 30,- EUR und bei der anderen Person 2 Tütchen Marihuana sichergestellt. Im Rahmen der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden 15,1 Gramm Marihuana und 77,4 Gramm Haschisch, die insgesamt 7,8...

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