Leitsatz (amtlich)
In dem Fall, in dem in einem nur auf Antrag durchgeführten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Antrag nach Ergehen eines Beschlusses zurückgenommen wird, ist diese Rücknahme auch dann zulässig, wenn die übrigen Verfahrensbeteiligten der Rücknahme nicht zustimmen; § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist auf diese Konstellation nicht anwendbar.
Verfahrensgang
AG Hamburg-Harburg (Beschluss vom 08.07.2014; Aktenzeichen 636 F 83/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG Hamburg-Harburg - Familiengericht - vom 8.7.2014 - 636 F 83/14 aufgehoben. Der Beschluss ist wirkungslos.
Es wird festgestellt, dass das Verfahren aufgrund der Antragsrücknahme der Kindesmutter vom 15.7.2014 erledigt ist.
Gerichtskosten für das Verfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf EUR 1.500,00.
Gründe
I. Die Kindeseltern streiten um das Sorgerecht für ihre Kinder. Die Kindesmutter hat mit Schriftsatz vom 15.5.2014 beantragt, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung das alleinige Sorgerecht für die Kinder zu übertragen. Das AG hat die Sache mündlich erörtert. Mit Beschluss vom 8.7.2014 hat das AG den Antrag der Kindesmutter zurückgewiesen. Nach Erlass des Beschlusses, aber vor Ablauf der Rechtsmittelfrist hat die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 15.7.2014 erklärt, dass sie ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurücknehme und mit Schriftsatz vom 25.7.2014 vorsorglich Beschwerde gegen den Beschluss des AG eingelegt. Der Rücknahme hat der Kindesvater mit Schriftsatz vom 7.8.2014 widersprochen. Das AG hat die Zurücknahme daraufhin im Hinblick auf § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG für unwirksam angesehen und die Sache dem OLG zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
II. Nach Zurücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch die Kindesmutter war gem. § 22 Abs. 2 Satz 1 FamFG lediglich festzustellen, dass sich das Verfahren durch die Rücknahme erledigt hat und der Beschluss des AG wirkungslos geworden ist. Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG und der Umstand, dass der Kindesvater der Rücknahme widersprochen hat, stehen der Wirksamkeit der Rücknahme nicht entgegen. In dem Fall, in dem in einem nur auf Antrag durchgeführten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Antrag nach Ergehen eines Beschlusses zurückgenommen wird, ist diese Rücknahme auch dann zulässig, wenn die übrigen Verfahrensbeteiligten der Rücknahme nicht zustimmen; denn § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist auf diese Konstellation nicht anwendbar. Das ergibt sich aus § 51 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 FamFG, wonach die für eine entsprechende Hauptsache geltenden Vorschriften im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gelten, soweit sich aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das ist hier der Fall. Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG soll das Interesse der übrigen Verfahrensbeteiligten daran schützen, dass es bei der durch den erlassenen Beschluss herbeigeführten abschließenden Klärung des Verfahrensgegenstandes bleibt (Sternal in Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 22 Rz. 1). Dieses Interesse kann im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung indessen nicht durch eine Beschränkung der Befugnis zur Zurücknahme des Antrags geschützt werden; denn da ein Beschluss in diesem Verfahren unter dem Vorbehalt der Abänderung durch ein anschließendes Hauptsacheverfahren oder ein erneutes Anordnungsverfahren steht, kann die durch einen Beschluss im Anordnungsverfahren hergestellte Rechtslage grundsätzlich nur vorläufig sein und die übrigen Beteiligten nicht davor schützen, dass der Antragsteller alsbald ein neues Verfahren einleitet. Außerdem könnte der Antragsteller einen Beschluss auch dadurch zu Fall bringen, dass er einen Antrag zur Hauptsache stellt und sogleich wieder zurücknimmt, wodurch nach § 56 Abs. 2 Nr. 1 FamFG der Beschluss im Anordnungsverfahren ebenfalls hinfällig würde. Aus vergleichbaren Erwägungen wird auch im Zivilprozessrecht die korrespondierende Bestimmung des § 269 Abs. 1 ZPO, wonach die Klage nach Beginn der mündlichen Verhandlung nur mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen werden kann, allgemein im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht für anwendbar gehalten (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.7.1982 - 2 U 54/82, NJW 1982, 2452 f.; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.1998 - 4 U 1564/07; Foerste in Musielak/Vogt, ZPO, 12. Aufl., § 269 Rz. 22).
Da das Anordnungsverfahren mit der Zurücknahme des Antrags beendet war, kommt es auf die weiteren von den Verfahrensbeteiligten in diesem Verfahren vorgenommenen Verfahrensschritte nicht mehr an.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1 FamFG. Es erschien nicht billig, im Hinblick darauf, dass auf die Beschwerde der Kindesmutter die Akte zur Durchführung eines Beschwerdeverfahrens an das OLG we...