Leitsatz (amtlich)

Eine Berufungsbeschränkung ist auch dann materiell wirksam, wenn das Amtsgericht einen mit einer höheren Strafdrohung versehenen Straftatbestand zu Unrecht angenommen hat, in dessen Folge der höhere Strafrahmen des fehlerhaft ausgeurteilten Delikts durch das Berufungsgericht zur Anwendung kommt.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 08.11.2018; Aktenzeichen 705 Ns 57/17)

 

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten J., D. J.und A. J. werden verworfen.

Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

 

Gründe

Die Revisionen der Angeklagten waren gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen tragenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

Ergänzend merkt der Senat an:

1. Ein sachlich-rechtlicher Mangel des angegriffenen Urteils liegt insbesondere nicht darin begründet, dass das Landgericht eigene Schuldfeststellungen nicht getroffen und auf die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen hat.

Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass - was der Senat auf die zulässige Sachrüge hin von Amts wegen zu überprüfen hat (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Juni 2019, Az.: 2 Rev 29/19) - der amtsgerichtliche Schuldspruch bindend geworden ist, nachdem die Angeklagten ihre Berufungen durch persönliche Erklärungen mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft (§ 303 Satz 1 StPO) in der Hauptverhandlung vom 19. Oktober 2018 auf die Überprüfung des Strafausspruches beschränkt hatten.

Die den formellen Voraussetzungen somit entsprechenden Beschränkungserklärungen sind auch materiell wirksam und führen dazu, dass der Schuldspruch des amtsgerichtlichen Urteils vom 10. Februar 2017 in Rechtskraft erwachsen ist und die Schuldfeststellungen bestandskräftig geworden sind.

Allerdings tragen die amtsgerichtlichen Tatfeststellungen den Schuldspruch im Fall 2 des Urteils wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nur teilweise (dazu a.). Dies macht die Berufungsbeschränkung jedoch nicht unwirksam (dazu b.).

a. Die amtsgerichtlichen Schuldfeststellungen ergeben eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen schweren Raubes nicht.

aa. Das Amtsgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Die Angeklagten fassten den gemeinsamen Tatentschluss, das Mobiltelefon des Zeugen M. "an sich zu bringen". Nachdem der Angeklagte D. J. den Zeugen M. zur Herausgabe des Telefons aufgefordert und dieser sich geweigert hatte, ging die verbale Forderung in einen körperlichen Angriff über, um dem Zeugen das Mobiltelefon abzunehmen und es in die eigene Verfügungsgewalt zu bekommen. D. J. nahm den Zeugen in den Schwitzkasten, J. schlug den Zeugen mit der Faust im Bereich des Kopfes und eine der Angeklagten A. J. oder R. schlug mit einer Metall- bzw. Holzstange zwei Mal auf den Kopf des Zeugen ein, der Kopfplatzwunden, Prellungen und Hämatome im Rückenbereich sowie Schmerzen erlitt. Sodann nahm einer der Angeklagten das Telefon, das sich aus der Hand des Zeugen gelöst hatte, an sich, um es entsprechend des Tatplanes "an sich zu bringen" Die Angeklagten beabsichtigten, dieses Mobiltelefon "zu vernichten bzw. unbrauchbar zu machen", um darauf vermutetes belastendes Bildmaterial dem Zeugen M. und den Ermittlungsbehörden zu entziehen (UA AG S. 10).

bb. Danach haben sich die Angeklagten - in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - nicht eines Verbrechens des besonders schweren Raubes (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), sondern einer Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht, denn sie handelten nicht, wie § 249 Abs. 1 StGB voraussetzt, in der Absicht, das Mobiltelefon sich oder einem Dritten zuzueignen.

Es fehlt an dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des Täters, den Bestand seines Vermögens oder den eines Dritten zu ändern, wenn er das Nötigungsmittel nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie - wie hier - "zu zerstören", "zu vernichten", "preiszugeben", "wegzuwerfen", "beiseite zu schaffen" oder "zu beschädigen" (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - Az.: 3 StR 392/11 -, Rn. 4 f. juris; BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 - Az.: 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699; vom 26. September 1984 - Az.: 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 m.w.N.).

Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine besonders schwere räuberische Erpressung (§§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) nach den getroffenen Feststellungen aus. Eine Verurteilung wegen Erpressung erfordert die Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Diese Tatbestandsvoraussetzung des § 253 Abs. 1 StGB deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug vorausgesetzten Bereicherungsabsicht und setzt nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff voraus, dass der erstrebte Vorteil zu einer objektiv günstigeren Gestaltung der Vermögenslage für den Täter oder einen Dritten führt, also eine Erhöhung des wirtschaftliches Wertes des Vermögens angestrebt wird (BGH, NStZ-...

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