Entscheidungsstichwort (Thema)
Passivlegitimation des Geschäftsführers trotz Privatinsolvenz
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 15.09.2003; Aktenzeichen 420 O 127/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Hamburg, Kammer 20 für Handelssachen, vom 15.9.2003 (420 O 127/03) wird zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist nach §§ 127 Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist aber unbegründet. Auch nach Auffassung des Beschwerdegerichts hat die Rechtsverteidigung des Beklagten gegen die erhobene Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO. Das LG ist im angefochtenen Beschluss mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass der Beklagte keine durchgreifenden Einwendungen gegen den Klageanspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG erhoben hat.
1. Nach dem Vorbringen der Parteien ist davon auszugehen, dass die Schuldnerin zur Zeit der von ihm als Geschäftsführer der Schuldnerin geleisteten Zahlungen, deren Erstattung der Kläger begehrt, zahlungsunfähig war. Zum 1.4.2002 bestanden nach dem vom Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen des Klägers gegen die Schuldnerin u.a. offene Steuerforderungen, Forderungen von Energielieferanten, fällige Sozialversicherungsbeiträge, Lohnforderungen und andere offene Forderungen i.H.v. 314.492,87 Euro. Liquide Mittel zur Begleichung dieser Außenstände standen unstreitig nicht zur Verfügung. Die Schuldnerin hat diese Forderungen in der Folgezeit nicht beglichen, sondern offenbar nur noch auf neue, im trotz der hohen Schulden fortgeführten Geschäftsbetrieb entstandene Forderungen gezahlt. Dieses Verhalten lässt auf eine Zahlungseinstellung schließen, die wiederum nach § 17 Abs. 2 InsO die Vermutung begründet, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig war. Demgegenüber ergibt sich aus dem Umstand, dass vom 2.4.2002 an noch Forderungen i.H.v. 86.588,73 Euro erfüllt wurden, nicht, dass nur eine Zahlungsstockung vorgelegen habe. Denn die erheblich höheren längst fälligen Forderungen hat die Schuldnerin nicht beglichen. Es ist aber ein wesentliches Indiz für die Zahlungseinstellung, wenn der Schuldner nur noch Neuschulden begleicht (vgl. OLG Stuttgart v. 22.1.1997 - 9 U 138/96, ZIP 1997, 652), Altforderungen aber nicht innerhalb eines Zeitraums von etwa einem Monat bedient. Das gilt jedenfalls, wenn die Altschulden wesentlich höher sind als die neuen Verbindlichkeiten. Zudem ist es ein gewichtiges Indiz für die Zahlungseinstellung, wenn der Schuldner über längere Zeit Lohnforderungen, Sozialversicherungsbeiträge, Steuerverbindlichkeiten und Kosten für Energielieferung nicht begleicht (vgl. Eilenberger in MünchKomm/InsO, § 17 InsO Rz. 29). Das trifft aber für die Schuldnerin hier in erheblichem Umfang zu.
2. Zudem ist davon auszugehen, dass die Schuldnerin am 1.4.2002 überschuldet war. Nach der vom Kläger aufgestellten vorläufigen Insolvenzeröffnungsbilanz war die Schuldnerin bei Stellung des Insolvenzantrages, also Ende Mai 2002, mit 428.000 Euro überschuldet. Das hat der Beklagte nicht bestritten. Auch unter Berücksichtigung der Zahlungen, die die Schuldnerin vom 2.4.2002 bis zur Stellung des Antrags noch leisten konnte, lag danach zum Stichtag eine erhebliche Überschuldung vor.
3. Der Beklagte ist auch für den Ersatzanspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG passiv legitimiert. Er beruft sich insb. zu Unrecht darauf, dass gegen ihn ein privates Insolvenzverfahren eröffnet wurde und Ansprüche daher gegen den Insolvenzverwalter der Privatinsolvenz zu richten seien. Nach § 38 InsO dient die Insolvenzmasse nur zur Befriedigung der Gläubiger, die einen zur Zeit der Insolvenzeröffnung begründeten Anspruch gegen den Schuldner hatten. Da die Privatinsolvenz über das Vermögen des Beklagten bereits am 1.10.2001 eröffnet wurde, sind nur die Ansprüche aus der Insolvenzmasse zu befriedigen, die in diesem Zeitpunkt bereits begründet waren. Alle anderen Forderungen unterliegen nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Vielmehr handelt es sich dabei um sog. Neuforderungen, für die die Prozessführungsbefugnis dem Schuldner zusteht (Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 328 Rz. 10). Das gilt auch für die hier streitigen Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG. Diese Ansprüche waren erst mit den nach dem 1.4.2003 geleisteten Zahlungen des Beklagten begründet, nicht aber bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Beklagten. Denn die Zahlung, deren Erstattung der Kläger begehrt, gehört zum anspruchsbegründenden Tatbestand, der bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen sein muss (vgl. Uhlenbrock, InsO, 12. Aufl., § 38 Rz. 6; Ehricke in MünchKomm/InsO, § 38 Rz. 16).
4. Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Zahlungen seien mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers vereinbar gewesen. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Zahlungen aus dem Vermögen der Gesellschaft leistet, wird vermutet, dass er dabei nicht mit der vo...