Leitsatz (amtlich)

Die Bewährungszeit kann trotz der unterschiedlichen Zwecke von Auflagenerteilung Bemessung der Bewährungszeit auch dann gemäß § 56f Abs. 2 StGB verlängert werden, wenn Grund für den Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f Abs. 1 StGB der Verstoß gegen eine Auflage ist, die der Verurteilte nachträglich vollständig erfüllt hat.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 20.07.2004)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 5, vom 20. Juli 2004 dahin geändert, dass

die Bewährungszeit betreffend die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 16. Juni 2003, Gesch.-Nr.: 3 Ds 703 Js 2/03 (45/03), um sechs Monate verlängert wird undder Antrag der Staatsanwaltschaft Lüneburg auf Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung zurückgewiesen wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Winsen/Luhe hat am 16. Juni 2003 gegen den Verurteilten wegen "vorsätzlichen Vergehens nach der Gewerbeordnung" (gemeint: vorsätzliche wiederholte Zuwiderhandlung gegen Anordnung der Gewerbeuntersagung) auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt und deren "Vollzug" (gemeint: Vollstreckung) zur Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss vom 16. Juni 2003 hat das Amtsgericht die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt sowie dem Verurteilten die Weisung, jeden Wohnungs- oder Aufenthaltswechsel mitzuteilen, und die Auflage, Euro 500,-- in monatlichen Raten von Euro 50,-- bis zum 15. jeden Monats, erstmalig an dem auf die Rechtskraft des Urteils (24. Juni 2003) folgenden Zahlungstermin, an die Landeskasse zu zahlen, erteilt.

Die wegen einer anderen Bewährungsaufsicht zuständig gewordene Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg hat dem Verurteilten mit Schreiben vom 2. Oktober 2003 mitgeteilt, er könne die erste Rate am 1. Dezember 2003 zahlen. Nachdem der Verurteilte nur einmalig Euro 50,-- am 21. November 2003 gezahlt hatte und Mahnungen erfolglos geblieben waren, hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 20. Juli 2004 die Strafaussetzung wegen Auflagenverstoßes widerrufen. Gegen den ihm am 23. Juli 2004 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte durch seinen Verteidiger am 30. Juli 2004 sofortige Beschwerde mit dem Antrag, vom Widerruf abzusehen, eingelegt. Am 4. August 2004 hat er die restlichen Euro 450,-- an die Staatskasse gezahlt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig (§§ 453 Abs. 2 S. 3, 311 Abs. 2 StPO) und teilweise begründet. Sie führt zur Verlängerung der Bewährungszeit anstelle des Widerrufes der Strafaussetzung.

1.

Die Formalien des Widerrufsverfahrens sind gewahrt. Insbesondere war die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg zuständig (§ 462 a Abs. 1, Abs. 4 StPO) und genügt deren Schreiben an den Verurteilten, er könne sich schriftlich äußern oder nach vorheriger telefonischer Anmeldung in einer Anhörung mündlich Stellung zu dem erwogenen Widerruf nehmen, den Anforderungen des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO (vgl. Senat in NStE Nr. 12 zu § 453 StPO).

2.

Es besteht der Widerrufsgrund des gröblichen Auflagenverstoßes (§ 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB).

a)

Dem Verurteilten war gemäß § 56 b Abs. 2 S. 1 Nr. 4 StGB auferlegt, einen Geldbetrag von Euro 500,-- in monatlichen Raten von Euro 50,-- zu zahlen. Der Verstoß gegen eine Auflage kann den Widerruf der Strafaussetzung nur tragen, wenn die Auflage rechtmäßig erteilt war (vgl. OLG Zweibrücken in NStZ 1993, 510 m.w.N.); das gilt jedenfalls dann, wenn der die Auflage enthaltende Beschluss - wie hier gemäß §§ 305 a Abs. 1 S. 1, 453 Abs. 2 S. 1 StPO in Ermangelung der Statthaftigkeit eines befristeten Rechtsmittels - nicht rechtskraftfähig ist. Vorliegend ist die Auflage zur Zahlung des Geldbetrages jedenfalls in der durch die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 2. Oktober 2003 bestimmten Modalität rechtmäßig.

aa)

Ob die Zahlungsauflage bei Erteilung durch den gemäß § 268 a Abs. 1 StPO ergangenen Bewährungsbeschluss am 16. Juni 2003 rechtmäßig war, erscheint zumindest zweifelhaft.

Gemäß § 56 b Abs. 1 S. 2 StGB dürfen durch eine Auflage an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Insbesondere darf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht überfordert werden.

Die wirtschaftliche Lage des Verurteilten zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung und für die absehbare Folgezeit bleibt unklar. Die wegen eingetretener Rechtskraft abgekürzten Urteilsgründe enthalten in Missbrauch des durch § 267 Abs. 4 S. 2 StPO eingeräumten Ermessens keine Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten, obwohl diesen ersichtlich Bedeutung für die zukünftige Bewährungsüberwachung zukam (vgl. Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 267 Rdn. 128 m.w.N.). Dem Sachprotokoll der Hauptverhandlung zufolge hat der 1965 geborene Verurteilte am 16. Juni 2003 angegeben, er sei zuvor Trockenbauer gewesen, zurzeit "nicht tätig" und lebe von seiner Freundin; di...

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