Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlussfrist für Tatbestandsberichtigungsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist nach Ablauf der Dreimonatsfrist gem. § 320 Abs. 2 S. 3 ZPO auch dann ausgeschlossen, wenn das vollständige Urteil der Partei erst nach Ablauf der Frist zugestellt wird und sie damit gar nicht die Möglichkeit hatte, etwaige Fehler im Tatbestand festzustellen (wie BGHZ 32,17 gegen KG NJW-RR 2001, 1296)

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 02.11.2004; Aktenzeichen 416 O 146/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Ablehnung ihres Tatbestandsberichtigungsantrages mit Urteil des LG Hamburg vom 2.11.2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von 5.000 Euro zu tragen.

 

Gründe

Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde der Antragsgegnerin. Denn gem. § 320 Abs. 4 S. 4 ZPO sind Entscheidungen über Tatbestandsberichtigungsanträge unanfechtbar.

Allerdings befürwortet die wohl h.M. die Möglichkeit einer Anfechtung, wenn nicht sachlich über den Tatbestandsberichtigungsantrag entschieden worden ist, insb. bei Fristversäumung nach § 320 Abs. 2 ZPO (LAG Hess., Beschl. v. 12.8.2003, zitiert nach Juris Nr. KARE600008759; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 320 Rz. 14, m.w.N.; Musielak in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 320 Rz. 11, m.w.N.; Baumbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 320 Rz. 14). Der BGH hat die Frage offen gelassen (BGH v. 9.12.1987 - IVa ZR 155/86, MDR 1988, 389 = CR 1988, 559 = NJW-RR 1988, 407 [408]).

Selbst wenn man die Beschwerde der Antragsgegnerin für zulässig hielte, wäre sie jedenfalls unbegründet. Wie das LG zu Recht ausgeführt hat, ist ein Tatbestandsberichtigungsantrag nach dem klaren Wortlaut des § 320 Abs. 2 S. 3 ZPO ausgeschlossen, wenn seit der Verkündung des Urteils drei Monate verstrichen sind. Dies bedeutet, dass eine Partei auch dann keinen Tatbestandsberichtigungsantrag mehr stellen kann, wenn sie vor Ablauf der Dreimonatsfrist das Urteil nicht in vollständiger Form zugestellt erhalten hat, mithin überhaupt keine Möglichkeit hatte, etwaige Fehler im Tatbestand festzustellen. So liegt der Fall hier. Mit dieser misslichen Folge der gesetzlichen Ausschlussfrist hat sich der BGH bereits eingehend in seiner Entscheidung BGHZ 32, 17 [27 ff.] befasst und sie dennoch für zulässig angesehen. Auch die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung hat er dort verneint. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Er folgt nicht der gegenteiligen Meinung des KG, welches meint, es stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar, eine Tatbestandsberichtigung dann auszuschließen, wenn die Partei das Urteil erst nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlussfrist zugestellt erhielte (KG v. 1.3.2001 - 10 U 8170/99, KGReport Berlin 2002, 139 = NJW-RR 2001, 1296). Neben dem klaren Gesetzeswortlaut ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der sehr knappen Antragsfrist von zwei Wochen nach Zustellung des vollständigen Urteils und der Anordnung einer Ausschlussfrist ersichtlich erreichen wollte, dass zeitnah über Tatbebestandberichtigungsanträge entschieden wird, wenn die Erinnerung der Richter an die mündliche Verhandlung noch nicht zu sehr verblasst ist (BGH v. 9.12.1987 - IVa ZR 155/86, MDR 1988, 389 = CR 1988, 559 = NJW-RR 1988, 407 [408]). Auch ist dann, wenn sachlich über die Tatbestandsberichtigungsantrag entschieden wird, unstreitig keinerlei Anfechtbarkeit gegeben, etwaige Fehler des berichtigenden Gerichts wegen der verblassten Erinnerung der Richter können also nicht korrigiert werden. Schließlich steht die betroffene Partei auch nicht rechtlos dar: Fehler bei der Tatsachenfeststellung des Erstgerichts können in der Berufungsinstanz gerügt werden (§§ 513 Abs. 1, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dazu gehört auch die fehlerhafte Würdigung eines streitigen Vortrags als unstreitig (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rz. 2). Wenn ein Vorbringen, das den formal nicht mehr zulässigen Tatbestandsberichtigungsantrag stützen soll, in der Sache zu einer anderen Entscheidung führt, kann dies auch noch in der Revisionsinstanz zu einer Aufhebung des Urteils führen (BGHZ 32, 17 [28]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, für den Streitwert hat der Senat das Berichtigungsinteresse der Antragsgegnerin nach § 3 ZPO geschätzt. Hier war maßgeblich die Erwägung, dass das LG noch innerhalb des Urteilstatbestandes die zunächst als unstreitig dargestellten Tatsachen, die die Antragsgegnerin berichtigt haben möchte, an späterer Stelle als streitig wiedergegeben hat (S. 9 des Urteils), so dass also noch innerhalb des Tatbestandes eine Korrektur erfolgt ist. Mindestens liegt eine widersprüchliche Darstellung des Tatsachenvortrags vor, die das Berufungsgericht nicht nach § 529 ZPO binden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1278606

NJW-RR 2005, 653

MDR 2005, 1010

PA 2005, 43

OLGR-Nord 2005, 325

www.judicialis.de 2004

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