nicht rechtskräftig
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Schutzfähigkeit eines zugleich funktionalen Zwecken dienenden Kinderhochstuhls als Werk der angewandten Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG.
2. Zu den (strengen) Voraussetzungen einer Verwirkung urheberrechtlicher Unterlassungsansprüche.
3. Im Vergleich hierzu stellen sich die Anforderungen an die Verwirkung von Schadensersatzansprüchen wegen in der Vergangenheit liegender Verletzungshandlungen als deutlich geringer dar.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 09.04.1999; Aktenzeichen 308 O 332/97) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 9.4.1999 abgeändert.
1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens DM 500.000.–; Ordnungshaft höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,
Kinder-Hochstühle herzustellen, anzubieten, zu bewerben, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen, wie sie aus der diesem Urteil als Anlage K1 beigehefteten Abbildung ersichtlich sind.
2. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, inwieweit sie seit dem 10.4.1997 die vorstehend unter I. näher bezeichneten Kinder-Hochstühle hergestellt, angeboten, beworben, verkauft oder sonst in Verkehr gebracht hat,
und zwar unter Angabe von Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen, Namen und Anschriften der Hersteller, Vorlieferanten und gewerblichen Abnehmer aller bezogenen vorstehend unter I. näher bezeichneten Kinder-Hochstühle.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Beklagte zu 1. die vorstehend unter I. näher bezeichneten Kinder-Hochstühle seit dem 10.4.1997 hergestellt, angeboten, beworben, verkauft oder sonst in den Verkehr gebracht hat.
4. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
5. Die Widerklage wird abgewiesen.
6. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten wie Gesamtschuldnern zu 77%, der Beklagten zu 1. allein zu weiteren 11% und der Klägerin zu 12% auferlegt. Von den außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens tragen die der Klägerin die Beklagten wie Gesamtschuldner zu 77% und die Beklagte zu 1. allein zu weiteren 11% und die der Beklagten zu 1. die Klägerin zu 12%. Die Gerichtskosten erster Instanz werden den Beklagten wie Gesamtschuldnern zu 70%, der Beklagten zu 1. allein zu weiteren 15% und der Klägerin zu 15% auferlegt. Von den außergerichtlichen Kosten in erster Instanz tragen die der Klägerin die Beklagten wie Gesamtschuldner zu 70% und die Beklagte zu 1. allein zu weiteren 15% und die der Beklagten zu 1. die Klägerin zu 15%. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen selbst.
7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, die Beklagte zu 1. in Höhe von DM 3.950.000,–, die Beklagten zu 2. – 5. in Höhe von DM 3.670.000.–, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 20.000,– abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1. vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
8. Den Parteien wird gestattet, die jeweils von ihnen zu erbringende Sicherheitsleistung durch eine unbedingte, unwiderrufliche, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse zu leisten.
9. Das Urteil beschwert die Klägerin um DM 750.000,–, die Beklagte zu 1. um DM 5.750.000,– und die Beklagten zu 2. – 5. um DM 5.000.000,–.
und beschlossen:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf DM 6.500.000,– festgesetzt.
Hiervon entfallen DM 3.500.000,– auf den Unterlassungsanspruch, DM 250.000,– auf den Auskunftsanspruch, DM 1.250.000,– auf den Schadensersatzanspruch und DM 1.500.000,– auf die Widerklage.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die urheber- und wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Herstellung und des Vertrieb des Kinderhochstuhls „Alpha” durch die Beklagte zu 1.
Die Klägerin ist ein norwegischer Möbelhersteller. Sie stellt her und vertreibt unter anderem einen Kinderhochstuhl unter der Bezeichnung „Tripp-Trapp-Stuhl” (Abbildung Anlage K2). Die Klägerin leitet ihre diesbezüglichen Rechte aus einem am 06.10.1972 mit dem norwegischen Designer P.O., der den Tripp-Trapp-Stuhl zwischen 1969 und 1972 entworfen hatte, geschlossenen Lizenzvertrag her (Anlagen K8 und K9). Durch diese Vereinbarung ist der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der Stokke Fabriker A/S, das ausschließliche Nutzungsrecht an diesem Möbelstück eingeräumt worden, nämlich das alleinige Recht, den in der Zeichnung Nr. ...