Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Rückschluss ohne besondere Umstände auf konkludente Genehmigung von Lastschriften bei fortgesetzter aktiver Nutzung eines Girokontos in Form von Überweisungen, Scheckzahlungen und -einreihcung

 

Leitsatz (amtlich)

Kein Rückschluss ohne besondere Umstände auf konkludente Genehmigung von Lastschriften bei fortgesetzter aktiver Nutzung eines Girokontos in Form von Überweisungen, Scheckzahlungen und -einreihcung

 

Normenkette

BGB §§ 670, 683 S. 1, § 684 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 26.06.2009; Aktenzeichen 418 O 155/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.09.2011; Aktenzeichen XI ZR 215/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Kammer 18 für Handelssachen, vom 26.6.2009, Geschäfts-Nr. 418 O 155/08, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist seit dem 1.9.2008 Insolvenzverwalter über das Vermögen des W.-L. K. Er fordert von der Beklagten aufgrund des von ihm als vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt mit Schreiben vom 5.6.2008 (der Beklagten zugegangen am 12.6.2008) erklärten Widerspruchs die Gutschrift und Auszahlung von Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren i.H.v. insgesamt EUR 7.282,54, mit welchen das Geschäftskonto des Schuldners bei der Beklagten in der Zeit zwischen dem 1. und 21.4.2008 belastet worden ist (vgl. i. e. Auflistung im Schreiben der Beklagten vom 1.8.2008, Anlage K 5). Wegen der Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit welcher diese weiterhin die Abweisung der Klage begehrt.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass der Schuldner die streitgegenständlichen Lastschriften konkludent genehmigt habe, indem er das Konto während des gesamten Zeitraums vom 1.4. bis 12.6.2008 in Kenntnis der Belastungsbuchungen fortgeführt habe, ohne einer der Belastungen wegen Lastschriften aufgrund Einzugsermächtigung zu widersprechen. Die Beklagte verweist darauf, dass das Konto stets im Guthaben geführt wurde, dass es sich bei den hier streitigen Lastschriften überwiegend um Zahlungen für vom Schuldner in Anspruch genommene Dienstleistungen gehandelt, dass der Schuldner vom 1.4. bis 12.6.2008 mehr als 50 Überweisungen über Beträge in sechsstelliger Höhe vorgenommen, über 60 Lastschriften über Beträge in sechsstelliger Höhe zugelassen und mehr als 40 Bareinzahlungen im Wert von über EUR 160.000 getätigt hat. Diesen Umständen habe sie eine konkludente Genehmigung entnehmen dürfen.

Die Beklagte beruft sich weiterhin auf die bereits erstinstanzlich vorsorglich erklärte Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch i.H.v. EUR 7.282,54. Wollte man das Verhalten des Schuldners nicht als konkludente Genehmigung werten, stünde ihr ein Schadenersatzanspruch in dieser Höhe wegen Verstoßes gegen die Pflicht zum unverzüglichen Widerspruch gegen Lastschriftbuchungen gem. Nr. 7 Abs. 5 S. 1 der AGB P. (Anlage K 2). Die Aufrechnung sei gem. § 94 InsO von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt.

Jedenfalls sei die Klage auf Grundlage der jüngsten Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH (Urt. v. 10.6.2008 - XI ZR 283/07) abzuweisen. Indem der Kläger den Lastschriften widersprochen habe, obwohl materiell-rechtliche Einwendungen des Schuldners nicht gegeben gewesen seien, habe er sich gem. § 826 BGB schadenersatzpflichtig gemacht. Auch insoweit stehe § 94 InsO der von ihr erklärten Aufrechnung nicht entgegen, da es sich bei dem Schadenersatzanspruch gem. § 55 Nr. 1 InsO um eine Masseverbindlichkeit handele.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Hamburg vom 26.6.2009, AZ 418 O 155/08, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt die Auffassung, dass die widerspruchslose aktive Nutzung des Kontos keine stillschweigende Genehmigung von im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgten Lastschriften darstelle. Dies könne allenfalls bei einer widerspruchslosen Nutzung über einen erheblichen Zeitraum angenommen werden, wovon vorliegend nicht die Rede sein könne. Auch bestehe bei einem Geschäftskonto, welches wie hier eine Vielzahl von Zahlungseingängen und -ausgängen aufweise, kein Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei den Einzahlungen um gezielte Geldeingänge mit der Bestimmung handele, Lastschriften auszugleichen. Vorliegend seien - unstreitig - die Bareinzahlung...

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