Leitsatz (amtlich)
Ein wirkstoffgleiches preisgünstiges Arzneimittel verfügt bereits dann über den "gleichen Indikationsbereich" i.S.d. § 129 Abs. 1 S. 2 SGB V, wenn es für diejenige Einzelindikation zugelassen ist, für welche das auszutauschende Arzneimittel verordnet wurde. Ist die Substituierbarkeit wegen unterschiedlicher Indikationsbereiche unklar, darf der Apotheker das preisgünstige Arzneimittel gem. § 17 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung nicht abgeben, bevor die Unklarheit - etwa durch Rücksprache mit dem verordnenden Arzt - beseitigt ist.
Wird ein Arzneimittel in der Werbung als "Generikum" bezeichnet, so fassen die Fachkreise diese Bezeichnung aus klinisch-praktischer Perspektive und in Übereinstimmung mit der Begriffsbestimmung in Art. 10 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2001/83/EG dahingehend auf, dass es sich um ein nach Wirkstoff, Darreichungsform und Bioverfügbarkeit einem anderen Arzneimittel gleiches, jedoch preiswerteres Präparat handele. Nicht hingegen muss es sich nach dem Verständnis der Fachkreise um ein durch förmliche Bezugnahme auf das mittlerweile patentfreie Referenzarzneimittel zugelassenes, chemisch identisches Präparat handeln.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 5; HWG § 3; AMG § 24b Abs. 2; SGB V § 129 Abs. 1 Nr. 1b); ApoBetrO § 17 Abs. 5; Richtlinie 2001/83/EG Art. 10 Abs. 2 lit. b)
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 12.09.2008; Aktenzeichen 312 O 506/08) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 12.9.2008 (Geschäfts-Nr. 312 O 506/08) wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Eilverfahren um die heilmittelwerberechtliche Zulässigkeit werblicher Angaben.
Die Antragstellerin vertreibt das seit dem 21.5.2008 durch das BfArM zugelassene Produkt "Clopidogrel H. 75 mg Filmtabletten" mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Clopidogrelbesilat. Die Fachinformation lautet hinsichtlich der Zulassung wie folgt (Anlage AST 1):
"Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend), mit ischämischem Schlaganfall (7 Tage bis 6 Monate zurückliegend) oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit."
Das Produkt der Antragsgegnerin "I." enthält als arzneilich wirksamen Bestandteil Clopidogrelhydrogensulfat und ist laut Fachinformation (Anlage AST 2) wie folgt zugelassen:
"Clopidogrel ist indiziert für die Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei:
I. Patienten mit Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend), mit ischämischem Schlaganfall (7 Tage bis 6 Monate zurückliegend) oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit.
II. Patienten mit akutem Koronarsyndrom:
- akutes Koronarsyndrom ohne ST-Strecken-Hebung (instabile Angina Pectoris oder Non-Q-Wave Myokardinfarkt), einschließlich Patienten, denen bei einer perkutanen Koronarintervention ein Stent implantiert wurde, in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS).
- Myokardinfarkt mit ST-Strecken-Hebung in Kombination mit ASS bei medizinisch behandelten Patienten, für die eine thrombolytische Therapie in Frage kommt."
Mit einem Schreiben vom 13.8.2008 (Anlage AST 4) an mehrere Krankenkassen wies die Antragsgegnerin auf die vorstehenden Zulassungsunterschiede sowie die nach Ansicht der Antragsgegnerin daraus folgenden Konsequenzen für Bezeichnung und rechtliche Einordnung der Clopidogrel-Besilat-haltigen Arzneimittel hin. Diesem Schreiben fügte die Antragsgegnerin beabsichtigte, an Ärzte und Apotheker gerichtete Schreiben bei, welche wiederum auf ein diesen beigefügtes Anwaltsschreiben verwiesen, das sich mit "rechtlichen und praktischen Auswirkungen auf den Verordnungsalltag" befasste. In den vorgenannten Schreiben sind die hier streitgegenständlichen, aus den Anträgen ersichtlichen Angaben enthalten.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Werbung der Antragsgegnerin verstoße gegen die §§ 3, 4 Nr. 11, 5 UWG i.V.m. § 3 HWG und hierzu wie folgt vorbereitet: Die von der Antragsgegnerin verbreitete, apodiktische und uneingeschränkte Behauptung, I. sei nicht substituierbar, sei irreführend. Wenn der Arzt nur den Wirkstoff "Clopidogrel 75 mg" verschrieben habe, bestehe die Substituierbarkeit ohne weiteres (Anlage AST 8). Habe der Arzt I. verschrieben und aut-idem nicht ausgeschlossen, so bestehe die Substituierbarkeit, sofern der Patient das Präparat wegen der für Clopidogrel H. 75 mg Filmtabletten zugelassenen Indikation erhalten solle; dies könne der Apotheker durch Rückfrage beim Arzt oder Patienten ohne weiteres feststellen (Anlage AST 7).
Auch die von der Antragsgegnerin aufgestellte Behauptung, die neu zugelassenen clopidogrelhaltigen Arzneimittel seien keine Generika zu I., sei irreführend. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden unter einem Generikum ein Arzneimittel, welches die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweise und de...